Der Herr der Augenringe
Rekordernten an Salamandern und Fiebermücken. Kein Wunder, dass die Stadt Unmengen von spitzköpfigen Südländern, dicklippigen Nordländern und homosexuellen Querrudern anzog. Es war der einzige Ort, wo sie einen Pass zur Ausreise aus Zwiedor bekommen konnten.
Die Stadt selbst stammte aus der Altvorderenzeit, als Beltelephon der Senile aus unerklärlichen Gründen verfügte, in diesem flachen Land solle eine königliche Skihütte von außerordentlicher Schönheit gebaut werden. Leider kratzte der alte König ab, ehe der erste Spatenstich getan wurde, und sein wasserköpfiger Sohn, Nabisco der Untaugliche, las bezeichnenderweise die unklaren Baupläne des alten Geizkragens falsch und bestellte mehr Spannbeton, als für den ursprünglichen Entwurf nötig war. Das Ergebnis war Minas Troney oder »Nabiscos Lustschloss«.
Ohne ersichtlichen Grund wurde die Stadt in sieben konzentrischen Ringen angelegt, überragt von einer doppelten Gedenkstatue von Beltelephon und seiner Lieblingskonkubine, die entweder Nephritis die Dicke oder Phyllis hieß. Jedenfalls war die architektonische Wirkung zuletzt die eines italienischen Hochzeitskuchens. [6] Jeder Ring war höher als der vorige, ebenso die Mieten. Im untersten, dem siebenten Ring wohnten die stämmigen Schafreiter der Stadt. Oft konnte man sie pflichtschuldig ihre schön bunten Schafe für dieses oder jenes idiotische Fest putzen sehen. Im sechsten Ring wohnten Kaufleute, im fünften Krieger und so weiter bis zum ersten und höchsten Ring, wo die Großtruchsessen und Zahnärzte wohnten. Jeder Ring war über windbetriebene Rolltreppen zu erreichen, die ständig reparaturbedürftig waren, sodass der soziale Aufsteiger in jener alten Zeit im wahrsten Sinne des Wortes aufstieg. Jeder Ring war stolz auf seine eigene Geschichte und bekundete seine Verachtung des darunter liegenden durch tägliche Bombardements mit Müll, und Redensarten wie »Machen wir’s doch wie die Siebener« oder »Liebling, sei nicht so drittringig« waren Allgemeingut. [7] Jeder Ring wurde schiefwinklig geschützt durch vorstehende Brustwehren, die an den gelegentlichen Enjambements mit Simsen und Kreuzgewölben versehen waren. Jedes gelegentliche Enjambement war rechtwinklig zu jeder ebenen angrenzenden Einbahnstraße angeordnet. Kein Wunder, dass die Einwohner zu ihren Verabredungen immer zu spät kamen, wenn sie sich nicht völlig verirrten.
Als die drei sich langsam nach oben schlängelten auf dem Weg zum Palast von Benelux dem Truchsess, gafften die Bürger von Zwiedor sie kurz an und gingen sofort zu ihrem nächsten Optometriker. Auch die Boggies starrten die Städter neugierig an: Menschen, Elben, Zwerge, Banshees und nicht wenige Republikaner waren darunter.
»Jede Parteitagsstadt bekommt eine recht gemischte Bevölkerung«, erklärte Gutgolf.
Langsam fuhren sie auf der letzten quietschenden Rolltreppe nach oben und landeten auf dem ersten Ring. Pepsi rieb sich die Augen, als er das Gebäude vor sich erblickte. Es war eine überaus großzügige Anlage mit ausgedehnten Rasenflächen und üppigen Blumenbeeten. Der Weg unter ihren Füßen war mit teurem Marmor gepflastert, und das Plätschern vieler Springbrunnen klang wie Silbermünzen. An der Tür wurden sie ziemlich grob beschieden, dass der Zahnarzt nicht zu Hause sei und sie vermutlich den alten Trottel um die Ecke suchten.
Dort fanden sie einen baufälligen Palast aus den stabilsten Holzfaserplatten, dessen Wände gerötet waren von Intarsien aus Kandiszucker und alten Katzenaugen. Über der Tür aus versteiftem Sperrholz verkündete ein Schild: Der Truchsess ist nicht zu Hause. Darunter war ein zweites Schild, auf dem stand: Zum Essen gegangen, und auf einem dritten: Angeln gegangen.
»Benelux ist wohl nicht hier, wenn ich diese Schilder richtig lese«, sagte Mopsi.
»Ich glaube, das ist bloß Bluff«, sagte Gutgolf und läutete anhaltend, »denn die Truchsessen von Minas Troney haben sich auf ihre Weise immer gern zurückgezogen. Benelux der Tölpel, Sohn von Electrolux dem Geizhals, entstammt einem alten Geschlecht von Truchsessen, das viele unfruchtbare Generationen zurückreicht. Lange haben sie Zwiedor beherrscht. Der erste Großtruchsess, Paraffin der Aufsteiger, war in König Chloroplasts Küche als zweiter Küchenjunge angestellt, als der alte König auf tragische Weise ums Leben kam. Offenbar fiel er zufällig rückwärts auf ein Dutzend Salatgabeln. Gleichzeitig floh der rechtmäßige Erbe, sein Sohn Carotin,
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