Der Herr Der Drachen: Roman
Drachen vor sich gesehen, wie es zu ihr herunterschaute. Sie machte nun längere Schritte, sog die warme Morgenluft ein und versuchte, ihre Müdigkeit abzuschütteln. Ihr Magen knurrte, und sie zog ein Stück Brot, das über weichem Käse zusammengeklappt war, aus ihrer Tasche. Es würde noch eine Stunde dauern, bis sich die Sonne an den Himmel schieben würde, und die Anlage war ruhig und dunkel. Laternen hingen an Halterungen in den Mauern und verbreiteten weiches Licht.
Die Pforte, die sie passiert hatte, lag weit entfernt von den Haupttoren. Sie öffnete sich zu einer schmalen, gepflasterten Straße hin, die zu einem großen Platz führte, welcher von weißgetünchten Gebäuden gesäumt wurde. Gehwege führten an den Vorderseiten der Bauwerke entlang, die allesamt Säulenvorbauten aufwiesen. Zu Shaans Linken befanden sich die Baracken der Jungreiter; vor ihr erhob sich eines der Gebäude, in denen die Mahlzeiten serviert wurden, mit seinem gewölbten Dach und riesigen Flügeltüren. Zwei kleinere Speisepavillons rahmten den Platz rechts und links ein, und dahinter lagen die Küchenräume, in denen sich Shaan später am Tag zu melden hatte. Rasch überquerte
sie die flachen Steine, um den Weg zwischen den Pavillons abzukürzen, und hob hin und wieder die Hand zum stummen Gruß an die anderen Arbeiter, die mit Essen beladene Tabletts herumtrugen. Shaan ging an den Ausbildungs-Arenen vorbei, die von geschäftigen Arbeitern für den Tag vorbereitet wurden, über eine offene, grasbewachsene Fläche hinweg, auf der vereinzelte Bäume wuchsen. Näher zum Abhang hin drängten sich die Behausungen der übrigen Reiter, dicht an die sorgsam gepflegten Gärten heranreichend, und noch weiter entfernt, beinahe am Rand der Anlage, wo der Meeresblick herrlich war, befanden sich die Hütten der Septenführer und das Prachthaus des Kommandanten. Sofort stand ihr Balkis’ Gesicht vor Augen, und ein Anflug von Angst durchfuhr sie.
Shaan wandte den Blick ab und stieg weiter den Hügel hinauf bis zur Drachenkuppel, und ihr Herz hämmerte beunruhigt in ihrer Brust. Zum ersten Mal war sie zum Dienst zwischen den Drachen eingeteilt worden, und sie war nervös, vor allem nach dem gestrigen Tag. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, war ein Gedanke an Balkis. Sie holte tief Luft und verdrängte alles Nachdenken über den blondhaarigen Septenführer. Stattdessen konzentrierte sie sich auf den Weg zur Kuppel.
Diese Drachenkuppel war ein uraltes Bauwerk auf der Spitze der Klippe: eine einzelne, mächtige Säule aus ausgeblichenem Stein. Gekrönt wurde sie von einem Gewölbedach, umgeben von einer breiten Landefläche. Die ersten Menschen in Salmut hatten sieben Jahre gebraucht, diesen Kuppelbau zu errichten. Das war das Heim der Drachen, der Ort, an den Shaan selbst sich am allermeisten sehnte - und sie wollte als Reiterin dorthin. Sie war sich nur nicht sicher, ob es ein Segen oder ein Fluch war, nun als Arbeiterin in die Kuppel geschickt zu werden, also biss sie die Zähne zusammen und machte sich auf den Weg zum Lagerhaus, einem kleinen Gebäude hinter der Kuppel in der Nähe einer kleinen Baumgruppe. Im Innern waren die Wände mit Rechen, Schaufeln und Gartengeräten behängt. Riesige Säcke mit Früchten und Getreide waren auf der einen Seite in vielen Lagen aufeinandergestapelt.
In der Ecke, nahe der Tür, von vier Stühlen umringt, befand sich ein robuster Holztisch, auf dessen Platte eine helle Öllampe strahlte. Zwei andere Arbeiter waren bereits dabei, Früchte in Körben aufzuschichten. Shaan nickte ihnen zu und setzte sich an den Tisch.
Sie hatte sich kaum niedergelassen, als die Tür aufgestoßen wurde und mit lautem Knall gegen die Innenmauer prallte. Ein Mann trat ein. Er war über einen Meter achtzig groß, hatte einen riesigen Bauch, den er vor sich herschob, und ein missmutiges Gesicht. Sein Blick fiel auf Shaan.
»Du bist die Neue?«
Er musste der Aufseher sein. Shaan stand auf. »Ja.«
»Hol dir einen Rechen. Du wirst heute ausmisten, Box 83, ganz oben.«
Er lehnte sich in den Türrahmen, und mit einem Blick aus seinen schmalen Augen musterte er sie von oben bis unten. »Habe gehört, du hast Septenführer Balkis ganz schön Ärger gemacht. Für mich siehst du ja noch gar nicht alt genug aus, aber ich schätze, jeder Idiot kann eine Klinge auswählen.« Shaan funkelte ihn an, hielt aber ihre Zunge im Zaum.
Er warf ihr einen boshaften Blick zu. »Ich glaube kaum, dass du hier für Schwierigkeiten sorgen
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