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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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starrte ins Nichts. Was würde ich machen, wenn die Typen mit dem Schwarzen Feuer wieder am Himmel auftauchen würden und ich fliegen könnte, aber ein Junge, den ich kaum kenne, nicht? Was würde ich dann tun? Ich wusste es nicht.
    Zum Glück machte sich Len auf mein Schweigen seinen eigenen Reim.
    »Siehst du, Danka. Und ich lasse dich auch nicht im Stich. Ehre n wort.«
    »Gehen wir runter zu dem Fluss, den du erwähnt hast«, schlug ich vor. »Und zwar schnell.«
    So brachen wir auf. Mit der Brille bereitete mir das gar keine Schwierigkeiten. Nach zwanzig Minuten kamen wir an einen steilen Abhang. Unter uns lag der Fluss.
    Ein ganz normaler Bergfluss, sehr schnell, ziemlich schmal, mit Steinen, die hier und da aus dem Wasser ragten.
    Mir kam meine Idee sofort idiotisch vor, aber das durfte Len nicht mitbekommen. »Wir klettern runter zum Fluss«, sagte ich. »Dort ve r wandelst du deinen Overall in ein Boot … «
    »Wozu denn das?«
    »Das Ding ist doch wasserdicht, oder?«
    »Natürlich!«
    »Prima. Wir setzen uns einfach rein, lassen es zu Wasser und fahren bis zur Stadt.«
    »Wie bitte?«, fragte Len empört. »Ist dir klar, wie die Flügel danach aussehen?«
    »Und ist dir klar, wie wir aussehen, wenn diese fliegenden Monster uns erwischen?«
    Len schluckte. »Dann bring ich uns erst mal runter. Halt dich fest, Senior!«
    Unsicher trat ich hinter ihn und wollte schon die Huckepackposition einnehmen. Len zeigte mir einen Vogel. »Fliegt man in deiner Stadt etwa mit den Lasten auf dem Rücken?«
    »Wir fliegen überhaupt nicht mit Lasten«, gestand ich.
    »Mach einfach, was ich dir sage!«
    Len verlangte, dass ich mich vor ihn hinstellte und die Arme um se i nen Hals, die Beine um seine Taille schlang. In amerikanischen A c tionfilmen tragen die tapferen Polizisten auf diese Weise die Kinder fort, die sie gerade aus den Klauen der Terroristen gerettet haben. A ber Len war kein Polizist mit der Figur eines Bodybuilders. Er schwankte und ging tief in die Knie. Trotzdem trat er an den Rand der Schlucht. Kaum hatte ich einen kurzen Blick in den Abgrund gewo r fen, da hätte ich am liebsten auf das Experiment verzichtet.
    »Len«, setzte ich an. Aber er hörte nicht auf mich. Er machte einfach einen Schritt in die Tiefe.
    Mit geschlossenen Augen klammerte ich mich an Len, wie eine hungrige Zecke an einen fetten Hund. Len schaffte es kaum, mit den Flügeln zu schlagen. Wir fielen eher, als dass wir flogen. Len strengte sich gewaltig an und irgendwann schlugen die Flügel tatsächlich e t was kräftiger. Auf diese Weise fingen wir den Fall ab, wurden aber ordentlich durchgerüttelt.
    »Lass los!«, schrie Len. Ohne abzubremsen, knallte er auf einen Stein.
    Wir waren am Ufer gelandet, direkt auf den feuchten Steinen. Zwe i hundert Meter waren wir mindestens geflogen!
    »Erstklassiger Flug«, lobte ich, worauf Len strahlte. »Was ist, vers u chen wir ’ s?«
    »Ja.«
    Aus der Nähe wirkte der Fluss zwar noch viel reißender, dafür aber auch tiefer und breiter, sodass wir wirklich eine Chance hatten. Wir breiteten das Zelt aus, legten es ins flache Wasser, kletterten hinein und schlossen den Eingang. Jetzt brauchten wir nur noch mit ein paar Kleinigkeiten fertig zu werden: mit dem Zeltstoff, in dem wir uns ve r heddert hatten, mit den Untiefen hier am Ufer und mit dem Wasser, das durch die Tür eindrang.
    Als unser provisorisches Boot irgendwann mehr oder weniger gleichmäßig in der Strömung trieb, fiel mir etwas ein, das ich Len schon längst hätte fragen sollen: »Es kommt doch kein Wasserfall, oder?«
    »Nein, nur ein paar Stromschnellen«, beruhigte mich Len.
    Daraufhin setzten wir die Fahrt erst mal schweigend fort. Wir kulle r ten über den feuchten Zeltboden, knallten gegeneinander und schauten immer mal wieder zu dem kleinen Fenster hinaus, das wohl das Visier war, wenn das Zelt ein Overall war. Es mag sich komisch anhören, aber nach fünf Minuten jagte es uns keine Angst mehr ein, wenn unser Boot gegen einen Stein stieß. Wir brachen dann nur noch in schalle n des Gelächter aus. Keine Ahnung, warum Len lachte, aber ich selbst konnte das, was wir erlebten, einfach nicht ernst nehmen. Es kam mir wie ein riesiger Freizeitpark vor. Schade war bloß, dass der Kater nicht schon zurück war. Denn dass er mich irgendwann finden würde, daran zweifelte ich keine Minute. Immerhin war er ein Zauberer, wenn auch noch ein kleiner.
    Nachdem wir zwei Stunden gefahren waren, verkündete Len, als er durch das Fenster

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