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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Erdgeschoss ein. Außerdem sah es reichlich merkwürdig aus. In der Mitte stand ein runder Tisch, um ihn herum ein paar gepolsterte Stühle. Das war noch völlig normal. Aber der Rest! Als hätte man die Möbel von wer weiß woher zusammeng e tragen und hier aufgestellt. Es gab Bücherschränke und ein weiches Sofa mit einem Couchtisch, auf dem Boden lag ein Teppich mit U n mengen von Kissen drauf. Ein roh gezimmerter Tisch war mit kleinen Glaskolben und Reagenzgläsern vollgestellt, ein Hängeschrank da r über beherbergte allerlei Chemikalien. Einen Teil der Wand nahmen verschiedene Waffen ein wie Messer, Schwerter, Armbrüste, aber auch solche, von denen ich mir nicht mal vorstellen konnte, wie sie gebraucht wurden. Selbst ein Musikinstrument fehlte nicht, eine Art kleines Klavier, nein, jetzt fiel mir die Bezeichnung wieder ein: ein Cembalo. In einem riesigen Aquarium schwammen bunte Fische. An einer Wand hingen Bilder, davor stand eine mit Stoff abgedeckte Sta f felei …
    Die Bilder konnte ich mir nicht mehr ansehen, denn Len brachte mir ein paar Sachen zum Anziehen, das reinste Trauerzeug allerdings: ein grauer Anzug, in dem normalerweise bloß Wunderkinder ihren Au f tritt als Geiger absolvieren, ein weißes Hemd und eine hellblaue Kr a watte.
    »Ein tolles Zimmer«, sagte ich anerkennend.
    Mit einem stolzen Lächeln hielt Len mir die Sachen hin.
    »Hast du nichts anderes?«, fragte ich.
    »Du willst doch in den Club. Da trägt man das … «
    »Schon gut. Bei uns geht ’ s etwas lockerer zu«, sagte ich. Aber Len war mit seinen Gedanken längst woanders. Er suchte nach Worten, öffnete den Mund, sagte dann aber anscheinend doch nicht das, was ihm auf der Zunge lag. »Das Bad ist oben, im ersten Stock, genau wie die Schlafzimmer. Such dir einfach ein Zimmer aus, Kurts oder meins, das ist egal.«
    »Haben denn deine Eltern nichts dagegen?«, fragte ich vorsichtsha l ber.
    »Meine Eltern?« Len gingen fast die Augen über. »Ich bin doch ein Flügelträger und … und mein Vater ist sowieso vor langer Zeit ve r schwunden, aber auch meine Mutter besucht mich nur selten.«
    »Dann gehe ich mal hoch.« Da ich ahnte, dass ich mich verplappert hatte, wollte ich mich lieber verdrücken. Deshalb stürzte ich zur Tre p pe, die nach oben führte.
    »Danka!«, rief Len mir nach. Er stieß meinen Namen förmlich aus, als fürchte er, der Mut würde ihn gleich wieder verlassen.
    »Was denn?«
    »Ich bestehe nicht darauf, dass wir ein Team bilden, wirklich nicht. Wenn du dir einen anderen Partner suchen willst, helfe ich dir dabei. Aber Shoky hat nur Lügen über mich erzählt, das musst du mir gla u ben. Ich bin kein Feigling. Und ich habe Kurt nicht im Stich gela s sen.«
    Was sollte ich darauf antworten? Von ihrer Gesellschaft wusste ich noch weniger als von den Rangbezeichnungen in der kuwaitischen Armee. Aber Len stand da und sah mich an, als hinge sein Schicksal von meinen Worten ab. Ich konnte ihm einfach nicht sagen, dass ich kein Senior, ja, dass ich noch nicht mal ein Flügelträger war.
    »He, Junior, machst du uns was zu essen?«, fragte ich. Daraufhin strahlte Len über beide Backen und nickte.
    Das Bad fand ich ohne Schwierigkeiten. Ich klatschte in die Hände, das Licht ging an und ich stieß einen Pfiff aus.
    Donnerwetter! Vor mir lag ein richtiges kleines Schwimmbecken. Zwei dicke Rohre sorgten für kaltes und warmes Wasser.
    Ich drehte die Hähne weit auf, zog mich aus, was angesichts meiner spärlichen Kleidung nicht allzu lange dauerte, und stieg ins heiße Wasser. Klasse! Wie gut das tat! Was hatte ich mir eigentlich dabei gedacht, nur in Unterhosen durch die Berge zu kraxeln, um mich vor irgendwelchen Monstern zu verstecken? Und wie kriegte ich jetzt aus Len alles raus, was ich wissen musste, ohne dass er Verdacht schöp f te?
    Am liebsten wäre ich gar nicht mehr aus der Wanne gestiegen. Erst als ich kurz davor war, einzuschlafen, schnappte ich mir das nächs t beste Handtuch, trocknete mich ab und zog mich für den Club an. Der Anzug passte ganz gut, nur das Jackett schlabberte etwas in den Schu l tern, und den Krawattenknoten bekam ich auch nicht hin. Ich ging nach unten, wo Len gerade einen ganzen Berg von Wurstbroten schmierte. Auf dem Tisch thronte außerdem eine riesige Flasche mit einem orangefarbenen Saft.
    Das sah ja schon mal gut aus. Aber das Essen musste noch warten.
    »Danka, du kommst zu spät in den Club!«, rief Len . »Es ist ja schon fünf vor neun.«
    Er trug ebenfalls einen Anzug,

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