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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Misstrauen, aus purer Neugier.
    »Aus Moskau«, sagte ich. Das war zwar gelogen, doch es brachte mir Erfolg auf der ganzen Linie. Aber ich glaube, jede andere Stadt hätte das auch getan.
    »Davon habe ich schon mal gehört«, behauptete Shoky. »Kommst du heute Abend in den Club?«
    Ich nickte, denn eine andere Antwort erwartete er offenbar nicht. Dann folgte ich Len endlich, der mir schon seit geraumer Zeit mit den Augen signalisierte, wir sollten besser abziehen. Wir waren jedoch noch keine fünf Meter weg, da rief Shoky mir nach: »He, Senior aus der anderen Stadt!«
    Ich drehte mich um und sah ihn an.
    »Willst du etwa mit Len ein Team bilden?«
    Da ich nicht verstand, wovon er eigentlich redete, wusste ich nicht, was ich antworten sollte.
    »Ich persönlich würde dir nämlich davon abraten«, fuhr Shoky fort. »Er ist ein Feigling. Der lässt dich genauso im Stich, wie er Kurt im Stich gelassen hat. Also, bis nachher.«
    Len und ich gingen weiter. Len schwieg, und ich wusste auch nicht, was ich sagen sollte. Außerdem gab es so viel zu sehen, dass ich das Gespräch auf der Stelle vergaß und alles um mich herum aufsaugte.
    Als ich sagte, die Stadt sei ganz normal, meinte ich natürlich nicht, sie sei mit einer Stadt auf der Erde zu vergleichen. Sie passte einfach haargenau in diese Märchenwelt. Es gab Kopf Steinpflaster, Steinhä u ser mit den unterschiedlichsten Türmen, die an Minischlösser erinne r ten, und sogar ein paar richtige Schlösser in der Ferne. Nur Menschen sah ich nirgends.
    »Hier ist ja niemand«, sagte ich.
    »Es ist schon spät. Während wir mit den beiden gesprochen haben, haben die Glocken acht Uhr geschlagen«, erklärte Len mir. »Die Le u te sind jetzt entweder im Club, in Versammlungen oder zu Hause. Normalerweise gehen wir abends nicht spazieren.«
    Es dauerte ein Weilchen, bis mir aufging, was Len eben gesagt hatte.
    »Es ist acht? Abends?«
    »Ja. Wir sind uns heute Morgen begegnet, dann hast du geschlafen, anschließend sind wir hierhergekommen … Stimmt was nicht?«
    Len wurde total nervös, aber ich achtete nicht weiter auf ihn. Ich a k zeptierte jetzt endlich, was ich schon lange ahnte. Hier gab es keinen Tag. Oder vielleicht doch, aber dann unterschied er sich durch nichts von der Nacht.
    Und das bedeutete, dass mich der Kater nicht nach Hause zurüc k bringen konnte. Ob seine Kräfte überhaupt reichten, diese Welt zu durchqueren, wenn hier überall Finsternis herrschte?
    »Ich brauche Wahres Licht«, murmelte ich.
    »Wir sind ja fast da«, versicherte mir Len. »Zu Hause schalten wir dann das Licht an, du nimmst die Brille ab … «
    Er wusste nicht, was Wahres Licht war. Das konnte man nämlich nicht anschalten.
    »Len«, stammelte ich. »Len … Wenn du wüsstest, wie tief ich in der Tinte sitze.«
    »Da wären wir«, erklärte Len, dessen Stimme sich plötzlich verä n dert hatte. Er ging auf ein einstöckiges Haus mit einem hohen, runden Turm zu und öffnete die Eingangstür aus Holz. Sie glich jener Ve r borgenen Tür, durch die der Sonnenkater und ich in diese Welt g e langt waren. Das machte mich nur noch trauriger.
    »Gib mir deine Hand«, forderte Len mich auf. Seine Stimme zitterte leicht, das entging mir nicht. »Es ist besser, wenn die Tür sich an dich erinnert … selbst wenn du es dir noch anders überlegst.«
    Ohne zu verstehen, worauf er hinauswollte, gab ich ihm meine Hand. Len drückte sie auf die Bronzeklinke und legte seine Hand da r über. »Das ist ein Freund«, flüsterte er leise. »Er darf immer herei n kommen.«
    »Wow, das ist ja ein toller Mechanismus«, sagte ich begeistert, nachdem wir ins Haus gegangen waren und die Tür hinter uns g e schlossen hatten.
    »Solche Schlösser haben nicht alle, sondern nur wir, die Flügeltr ä ger«, meinte Len. Er klatschte in die Hände und im Zimmer leuchteten weiße Glaskugeln grell auf. Betrieben wurden sie offenbar nicht elek t risch – es führten jedenfalls keine Stromkabel zu den Dingern –, sie gaben aber trotzdem genug Licht. Ich nahm die Brille ab und Len schlüpfte aus dem Overall.
    Nachdenklich sah er mich an. »Weißt du was, Danka? Ich gebe dir Kurts Sachen, du bist schließlich der Senior in unserm Team. Er braucht sie jetzt sowieso nicht mehr. Allerdings war er größer als du … Vielleicht ziehst du also doch lieber was von mir an?«
    »Okay«, sagte ich, während ich mich umsah.
    Das Zimmer, das direkt hinter der Eingangstür lag, war riesig, vie l leicht nahm es sogar das ganze

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