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Der Herr der Ohrringe (German Edition)

Der Herr der Ohrringe (German Edition)

Titel: Der Herr der Ohrringe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myk Jung
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Schmerz derjenigen, die sie sahen, jegliches Maß überstieg, und Unzählige wählten den Freitod. Da erkannte Gard Ariel bestürzt, dass die Macht des Einen zu groß war und der Ohrring ihren Zielen nicht dienlich, und dass er die Hysterie um sie leider nur zu Wahnsinn steigern würde, solange sie ihn trug; und sie seufzte, nahm das Kleinod ab und sprach: »Nein, Ohrringträger. Ich widerstehe der Versuchung und bleibe Gard Ariel, die Zahllose in den Ruin treibt – aber nicht in den Tod.«
    Eine schwarze Wut ohne Hoffnung wühlte plötzlich in ihr, und sie erkannte, dass sie der Wanderer überdrüssig geworden war. »Ich geb’ euch Landkarten und Geschenke und gute Ratschläge mit«, sprach sie drängend, »aber ihr solltet jetzt schnell weiterziehen, wie Allround es euch aufgetragen hat!«
    Das mit den Geschenken und Ratschlägen vergaß sie dann wohl doch, denn plötzlich fanden sich die Gefährten jenseits des Waldsaums wieder; und niemand winkte ihnen, als sie in die Wilden Lande zogen. Der Zauber Gard Ariels verblasste, je weiter sie sich von Devotien entfernten, und Bollobier argwöhnte: »War die vielleicht nur auf den Ohrring scharf?«
    Und als würde ihn dieser Satz an sein eigenes Begehren erinnern, war er doch in der Tat aus eben jenem Begehren geboren, fügte er hinzu: »Du, Frohdoof, was hältst du davon, mir den Ohrring freiwillig zu geben? Oder sollte ich eine kleine Gewaltanwendung erwägen müssen, hm?«

Vierzehntes Kapitel:
Am Namenlosen Fluss
    Nun waren sie wieder allein unter Schauern von Knorkpfeilen und den Schatten der Nazgulashs, die hoch über ihren Köpfen zirkulieren übten. Die Gefährten erreichten den Fluss ohne Namen und ohne Wiederkehr und fuhren auf kleinen Booten, die sie gefunden hatten, auf ihm herum, jedoch ohne zu wissen, wieso. Planlos also waren sie, wie seit eh und je, und irrend. Sie wurden gestört allein durch die Trainingseinheiten der Ohrringgespenster, die jetzt auch Tauchen übten.
    »Da sind sie ja wieder. Und warum greifen die uns eigentlich nicht an?«, wunderte sich Pipifax. »Sie sind doch hinter uns her, oder hab’ ich da was von Anfang an falsch verstanden?«
    »Es muss ein Zauber auf uns liegen, sodass wir ihren Blicken entzogen sind«, mutmaßte murmelnd Marathorn. »Vielleicht ein letzter Abschiedsgruß der Herrin Gard Ariel?«
    Doch hier deutete er fehl: Die Neun Nazgulashs hatten die armen Wanderer schon längst ausgemacht und lachten sich eins – hatten sie doch lediglich vor, mit ihrer sicheren Beute zu spielen, um dann alsbald erbarmungslos zuzuschlagen und der herumirrenden Gemeinschaft den Ohrring abzunehmen. So war ihr Plan, im Übrigen typisch für Superschurken: ein dummer Fehler, geboren aus Übermut. Es kam ihnen nämlich etwas dazwischen, und das hätten sie eigentlich wissen müssen.
    Denn siehe! Unerwartet, und deswegen plötzlich, trafen die Gefährten um Marathorn auf eine der anderen Gesandtschaften, die damals von Duchfal losgeschickt worden waren, und sie sahen neun Zerzauste, und vorneweg wankte der strauchähnliche Waldschrat mit dem Einen Armreif ums Gelenk. Über ihnen zirkulierten neun finstere Flugsaurier, auf denen die Neun Armreifgeister hockten.
    Als sich die zwei Kleinodien-Gemeinschaften am Ufer des Flusses vermengten und ein trübseliges Wiedersehen feierten, blickten die achtzehn Nazgulashs in den Lüften nicht mehr durch, wurden nervös, beschimpften sich schließlich gegenseitig.
    »Hey ihr da, Armreifgeister!«, rief der Chef der Ohrringgespenster. »Kommt nicht zwischen die Nazgulashs und ihre Beute!«
    »Dasselbe könnten wir sagen, Ohrringler!«, erwiderte der Fürst der Armreifgeister, während er mit seinem untoten Gebiss knirschte; und es entbrannte ein wilder Luftkampf, da die Achtzehn in Grimm aufeinander stürzten. Schnäbel hackten und vergiftete Dolche wurden gezogen, und am Ende dieser feurigen Auseinandersetzung fielen alle Flugsaurier tot aus den Lüften, und die Achtzehn gingen ihres Materie-Aspekts verlustig. Auf kalten Winden wurden ihre Seelen nach Murderor geweht, auf leichenhaften Ausdünstungen bar jeglicher Annehmlichkeit, und nackt waren sie dem Blick des Wimpernlosen Auges ausgeliefert.
    »Ich denke, ich schick’ euch eine Weile zu den Häusern des Lamentierens, jenseits aller Finsternis, wo eure Seelen verzehrt werden «, brummte Saurum, seine zerklüftete Stirn über dem Einen Auge knitternd; und genau dorthin schickte er sie. »Kann nur hoffen, dass sich die Colliergeister nicht so dusselig

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