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Der Herr der Ohrringe (German Edition)

Der Herr der Ohrringe (German Edition)

Titel: Der Herr der Ohrringe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myk Jung
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beschlossen, einen einsamen Wald zu suchen, um sich aller Unbill zu entziehen und dort des Müßiggangs zu frönen. Und sie verschwanden aus dieser Geschichte, wie sie in sie eingetreten waren: Als Hanebüchene.

Sechzehntes Kapitel:
Die Durchquerung abstossender Landstriche
    Frohdoof und Samenweis hatten Ausschau gehalten, die Ohren gespitzt und versucht, aus Zeichen und Vorboten des Unheils diejenige Richtung zu ergründen, in die es zu wandern galt. Wie es allerdings dazu kam, dass sie die richtige Richtung erwählten, jene einsame und harte Straße fanden, die tatsächlich nach Murderor führte, dorthin, wo der Schicksalsteich lag, war ganz unergründlich. Sie fielen in Schlammlöcher und verhedderten sich in Dornenbüschen, aber Frohdoof wurde einfach nicht den Ohrring los.
    »Komm, zieh noch mal dran, Samenweis!«, flehte er ein weiteres Mal. »Denn jetzt, da wir uns dem Schattenreich nähern, bekomm’ ich es allmählich mit der Angst zu tun! Und ich möchte das gefährliche Ding schnellstmöglich loswerden.«
    Samenweis zog und zerrte am Ohrring, aber der ließ sich nicht lösen und baumelte weiterhin im Läppchen.
    »Das geht nicht mit rechten Dingen zu, Herr!«, rief er entsetzt. »Mir scheint, als löse er sich nicht!«
    Er löste sich nicht; und also waren sie ganz dankbar, als jemand zu ihnen trat und sprach: »Darf ich mal versuchen?«
    Und ein dürres ausgemergeltes Kerlchen stand da vor ihnen, von dem sie nicht wussten, dass es niemand anderes war als jener Guelle, der einstmals den Ohrring besessen hatte, bevor Bilbord ihm das Kleinod auf jenem legendären Berggipfel abnahm 15 . In den Augen des Fremden glomm ein grünliches Licht der Gier und Boshaftigkeit, aber die zwei dachten sich nichts dabei. Das taten sie im Übrigen meistens nicht.
    Guelle zerrte und zog, bis aus dem Ohrring eine kalte Stimme sprach: »Nieder in den Staub! Wenn du mich noch ein einziges Mal berührst, sollst du selbst in den Schicksalsteich hinabfahren!«
    Da waren alle überrascht, und Samenweis gruselte sich sogar. »Das ist komisch, bis jetzt hat er doch noch nie was gesagt, der Ohrring!«
    Guelle war zwischenzeitlich auf den Boden gesunken, mitten in den Staub, genau wie es der Ohrring befohlen hatte. Dort quengelte er und greinte und führte unverständliche Selbstgespräche, und die zwei Gefährten überkam ein großes Mitgefühl, so dass sie sich schon fragten, ob sie den Armen vielleicht besser zurücklassen sollten.
    Aber als sie sich langsam davonstehlen wollten, klammerte sich Guelle an ihren Beinen fest und bettelte darum, mitgenommen zu werden. Sie konnten ja nicht ahnen, dass der Ausgezehrte es auf den Ohrring abgesehen hatte, und so nahmen sie sein Bittgesuch an und schleiften ihn mit in die Einöden. Als die Dösköppe zaghaft begannen, ein Lied vor sich hin zu murmeln, verstand Guelle die Lyrics nicht. Es war ihm recht; so kam er nicht in die Verlegenheit, sie vielleicht irgendwann einmal überliefern zu müssen.
    Später durchquerten sie Sümpfe und krochen durch verdorrtes Land, schauten von weitem das Aschentonnengebirge, die südlichen Bergketten Murderors, versteckten sich unter Felsbrocken, schliefen tagsüber und froren, wandernd, des nachts, aßen in winzigen Rationen von ihrer Wegzehrung, schauderten unter den Schatten der Nazgulashs, die weit droben zirkulieren trainierten, und wunderten sich, wie viele Taschen ihre Mäntel hatten.
    Dann, eines lichtlosen und endzeitigen Tages, lagen sie auf einem Schlackeberg, und direkt vor ihnen war das Große Schwarze Tor von Murderor: zwischen zwei Felsschultern waren da zwei Felsbrüste, und auf den Knien der Hänge sahen sie riesige Khny-Shonr 16 . Dazwischen aber war das Tor, und siehe! es war bewacht von Tausenden von Knorks, die grimmig herüberstarrten und grausame Waffen schwangen.
    »Durch diese Pforte scheint mir ein Eintritt ins Schattenreich nahezu und sozusagen unmöglich«, flüsterte Frohdoof. »Kennt einer von euch noch einen anderen Weg?«
    »Kleine Dösköppe sollten sich ein bisschen mehr ducken, in den Staub!«, zischte Guelle, und wie zur Untermalung seiner Worte wischte er mit dürren Händen auf dem Boden rum. »Ssstaub!«
    In genau jenem Augenblick waren sie von den Wächtern auf den Toren entdeckt worden, und der Größte und Hässlichste schrie ihnen zu: »Ey, ihr da auf dem Schlackeberg! Falls ihr plant, durch dieses Tor heimlich ’reinzuschleichen, so könnt ihr das vergessen! Hier gibt’s kein Durchkommen! Am besten, ihr

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