Der Herr der Ohrringe (German Edition)
kitzeln!«
Die drei Helden stellten fest, dass seit geraumer Zeit keiner ihrer Gefährten wieder aufgetaucht war. Weit hinten hörten sie den Waldschrat schnarchen.
»Wir müssen aufpassen, dass die Gemeinschaft des Ohrrings nicht auseinanderfällt!«, mahnte Marathorn, und es gelang ihm, einen Zeigefinger zu heben, womit er selber nicht gerechnet hätte.
»Ich hab’ schwer den Eindruck, dass sie das schon getan hat, das mit dem Auseinanderfallen«, brummte Pymli und wedelte mit der rechten Hand in Richtung eines Horizonts, aber nur kurz, da er fürchtete, seine Zittrigkeit könnte den anderen auffallen.
»Dann können wir ja genausogut noch ein bisschen sitzenbleiben «, entgegnete Marathorn und suchte die Behaglichkeit seines Kauerns optizumieren.
»Wie wär’s mit Liegen?«, vorschlug Legospass.
Und also kam es, dass sich die drei eine lange Weile ausruhten. Als sie aufwachten, fühlten sie einen seltsamen Geschmack in den Kehlen, allein Legospass empfand nichts dergleichen.
» Du bist doch sicherlich gefeit gegen die Pelzige Zunge, hm?«, fragte Pymli. Als Legospass bejahte, schlug der Lendhenzwerg ihm kurzentschlossen ins Gesicht. Legospass spürte nicht viel davon, denn als Angehöriger der Ältesten Sippe war er unempfindlich gegen die Schläge Sterblicher. Von weiter hinten tönte noch immer ein Schnarchen.
»Sollen wir dem alten Waldschrat den Einen Armreif klauen?«, fragte Pymli, denn er war in einer leicht boshaften Laune. »Nur so – oder von mir aus zum Spaß. Der kriegt gerade eh nichts mehr mit.«
Doch dann bemerkten sie, dass sie zu müde für jedwede Aktion waren – nur Legospass war lediglich ein bisschen zu müde – und sie beschlossen, noch ein weiteres winziges Weilchen auszuruhen. Und als sie sich schließlich ungelenk erhoben, sahen sie, wie die Sonne in einer Wolkenbank fernab der Mühsal Erdverhafteter unterging.
»Lasst uns aufbrechen, um die anderen zu suchen«, brummelte Marathorn zerknittert. »Kalt gewordene Fährten aufstöbern, und so.«
Und die drei taumelten los und untersuchten die Umgebung. Legospass hob Äste auf und Pymli ein paar Steine. Irgendwann fand Marathorn die Fußabdrücke von Pipifax und Macho. Die waren in tiefer Matsche und Patsche festgehalten. Es waren da noch zahllose Abdrücke von unzähligen Knorkfüßen, aber die übersah der Dauerläufer verblüffenderweise.
»Unsere Freunde sind ostwärts gelaufen, und wahrscheinlich trugen sie Frohdoof und Samenweis auf ihren Schultern«, vermutete Marathorn. »So zumindest deute ich die Zeichen. Nichts wie hinterher, ansonsten scheitert unser Auftrag!«
»Welcher Auftrag?«, fragte Pymli.
»Na, diese… urkomische Ohrring-Sache.“
Pymli und Legospass begannen, an den Fähigkeiten ihres Anführers zu zweifeln, aber sie waren zu betrunken, um es zu formulieren. Das heißt: Pymli war zu betrunken, Legospass war elanvoll und hellwach, jedoch mundfaul, wie es bei den Albernen gemeinhin üblich ist.
Lange verfolgten die Drei Jäger irgendwelche Spuren, die Marathorn im nassen, zuweilen trockenen Untergrund zu sehen glaubte, doch niemals bekamen sie die Hobbknicks zu Gesicht. Sie sangen Lieder, an deren Texte sie sich schon während des Singens nicht mehr erinnern konnten, aber selbst die Erleichterung, später diesbezüglich nichts überliefern zu müssen, beruhigte sie nicht vollends. Morgentau und Abendbrot wechselten sich ab, und irgendwann flog Pymli eine schwarze Laune an.
»Jetzt rennen wir schon seit Tagen!«, rief er und stampfte mit dem Fuß auf. »Doch was kommt in Sicht, außer Wolkenbänken, Nebelschleiern und Ästen, die irgendjemand in uns fremder Ekstase abgebrochen haben mag?«
»Zerknickte Grashalme«, murmelte Marathorn, sich mit niedrigen Schultern umwendend. »
Doch wer zerknickte sie?«, fragte der Lendhenzwerg.
Nun flüsterte der Dauerläufer etwas Unverständliches in Altalbernisch, und Pymli meinte: »Nichts, liebster Marathorn, kommt in Sicht, und niemanden finden wir, auch nicht Pipifax und Macho! Sollen wir die Suche nicht abblasen?«
Legospass kaute unentschlossen auf einem gutgebauten, bis dahin unverknickten Grashalm herum, und Marathorn suchte alle Horizonte mit seinen scharfen Augen ab und sprach dann: »Nun. Wir holen unsere Gefährten nicht mehr ein und haben ganz offensichtlich, wie jeder spätere Leser unserer Erzählung bestätigen würde, Zeit verschwendet. Lasst uns also diesen Unfug abbrechen und Dinge tun, die mehr Spaß machen!«
Und die Drei Jäger
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