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Der Herr der Ohrringe (German Edition)

Der Herr der Ohrringe (German Edition)

Titel: Der Herr der Ohrringe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myk Jung
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schnell, als wäre er froh, es loszuwerden, jedoch ohne Rührung, offensichtlich voller Emotionen, die ihn eiskalt erscheinen ließen, in einer aufreizend langsamen Wurftechnik auf den Tisch. Allround aber breitete die inzwischen noch armseliger aussehenden, weil vollends zerknickten Pergamentrollen aus, und siehe! lange starrte er sie an.
    Nach etlichen widerwillig verstreichenden Augenblicken jammerte der Halb-Alberne: »Bei Eydu, Mandel und Savanna! Hier auf den Rollen ist kein Ort verzeichnet, dahin der Ehering geworfen werden soll!« Und dann fügte er hinzu: »Vielleicht sollte er einfach in meiner Obhut bleiben?«
    Und des Weisen Augen leuchteten in Vorfreude, wenigstens eines der Juwelen alsbald sein eigen zu nennen. Schnell jedoch trübte sich sein Blick wieder ein. Den Ehering für immer am Finger zu tragen – darauf war offenbar niemand aus, nicht einmal der schmucksüchtige Meister der Mürbigkeit. »Am besten… wir verschicken auch den Ehering«, dachte er laut.
    »Doch wohin?«, fragte einer.
    »Vielleicht zu den Zwei Blauen Zauberern, die im Fernsten Westen weilen?«, schlug Legospass vor. »In unserer Welt zumindest schien dies das Schicksal des Einen Eherings zu sein.«
    »Aber niemand weiß, wo genau die Zwei Blauen wohnen!«, rief der Unscheinbare. Keiner der Anwesenden hätte von ihm solch eigentlich als geheim eingestuftes Wissen vermutet. »Und wird nicht gemunkelt, die beiden hätten einen dunklen Kult eröffnet?«
    » Du sollst den Ehering zu den Blauen bringen, unscheinbares Geschöpf!«, bestimmte Ganzhalb nun selbstherrlich. »Und das hast du nun von deiner Altklugheit.«
    Die Weisen rätselten im Übrigen zahllose Jahrhunderte hindurch, um was für ein Wesen es sich bei dem Unscheinbaren gehandelt haben mochte, doch sie konnten sich zu keinem Beschluss durchringen. Selbst nicht in jenen Wissensschmieden, die eigens für die Erörterung dieser Frage gegründet wurden. Lediglich eins entschieden sie in einem Leitsatz, und also wurde er zu einer unumstößlichen Wahrheit: Dass das Geschöpf von sagenhafter Unscheinbarkeit gewesen sein sollte.
    Der Rat der Weisen aber schickte den Unscheinbaren fort in den Fernsten Westen, um den Ehering den Zwei Blauen zu übergeben.
    »Obacht gegeben!«, sprach Allround damals am Tisch der Beratung, in jener Stunde, die längst vergangen ist, zu den Schatzträgern; und sie sammelten sich. »Ihr braucht nicht allein durch die Einöden zu wandern! Es wäre zuviel für euch, und ihr würdet es nicht schaffen. Und so werden wir euch Begleiter zur Seite stellen, und zwar jeweils acht, ihre Eignung hierzu jedoch lassen wir außer Acht. Und so wird die Zahl Neun erreicht. Das ist meine Lieblingszahl! Und bedenkt: die Welt der Menschen wird euch alle überdauern.« Mit dieser unerwartet verächtlichen Schlusssequenz überraschte Allround die meisten Horchenden.
    Und so verging zwar noch nicht das Jahrhundert, doch zumindest fand die Ratsversammlung ein Ende. In einer Nebenhalle, die von einem Halblicht erfüllt war, das aus dem versunkenen Reich Blubberror hierhin hatte gerettet werden können, begann alsbald eine kleine Abschlussveranstaltung. Und einmal mehr erschallten Alberne Gesänge, während die verzweifelten Sterne über alle hinwegzogen. Es wurden vor allem die beliebten Lieder über Elan-Andy intoniert, den berühmtesten Ruderer des Fünftletzten Zeitalters.
    Frohdoof und Samenweis horchten eine Weile mit leuchtenden Augen, leise schaukelnd, bis sie plötzlich Billbords, des alten Döskopps, gewahr wurden, der in einer Ecke saß und unverdrossen mitgrölte. Da glitt ein Schatten über ihre Gesichter.
    »Wehe!«, flüsterte Frohdoof. »Wir haben einen wichtigen Fehler gemacht, hier zu bleiben! Lass uns lieber schlafen gehen, mein armer Samenweis. Es könnte sonst sein, dass Bilbord uns aus seinem Tagebuch vorliest!«
    Und die beiden entflohen in ein bislang unbemerktes Kämmerchen, wo sie schnell einschliefen: mit annem Licht und zuem Fenster.

Vierundzwanzigstes Kapitel:
Der Ohrring wandert nach Norden
    Am nächsten Tag, in der Dämmerung – aber so sehr sich die Beteiligten auch anstrengten herauszufinden, um welche Dämmerung es sich eigentlich handelte, sie kamen nicht drauf – brachen die Gemeinschaften der Einen Schätze auf zu ihren gefahrvollen Questen. Allround hatte sich zuvor noch einmal alle Einen in die Hände legen lassen, »um sie zu segnen«, wie er murmelte. Nicht allerdings den Einen Ohrring: der ließ sich nicht lösen aus Frohdoofs

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