Der Herr der Puppen: Das Geheimnis von Askir 4 (German Edition)
gelernt.«
»Es wäre außerdem nett, wenn der Kapitän Havald seine Bitte erfüllen würde«, meinte Leandra.
»Irgendwie habe ich daran so meine Zweifel.«
Ich sah zu Imras Greifen hinüber. »Verstehst du mich?«, fragte ich ihn. Steinwolke verstand mich, vielleicht tat es dieser hier ja auch.
»Er versteht dich, Havald.«
»Kannst du mich mit einer Kralle halten, ohne mir zu schaden, und mich dann auf das Schiff fallen lassen?«
Der Greif gab ein seltsames Geräusch von sich. Ich sah ihn verwundert an. Imra grinste. »Er hat gelacht und sagt, dass es das erste Mal wäre, dass sich ein Mensch freiwillig in seine Krallen begibt. Aber ja, das kann er. Er hat es schon häufiger gemacht.«
»Leute auf ein Schiff fallen lassen?«, fragte ich.
Imra schüttelte den Kopf. »Ich sagte doch, wir befinden uns im Krieg. Manchmal trägt Stahlklaue einen von Thalaks Soldaten hoch in die Lüfte und lässt ihn über einem Heerlager fallen. Er hat schon zweimal das Zelt eines Generals getroffen.« Imra tätschelte die Kreatur. »Es macht immer irgendwie Eindruck auf Thalaks Soldaten, damit kann man den Abmarsch einer Armee um eine halbe Stunde verzögern, und um etwas mehr, wenn man das Zelt trifft.«
»Wo kämpft ihr gegen Thalak?«, fragte ich neugierig. »Welches Reich wird denn noch von ihm bedroht?«
Er sah mich überrascht an. »Sagtest du nicht, du kämst aus den Südlanden? Den Drei Reichen?«
Ich nickte.
Er löste die letzte Schnalle seines Sattels, hob ihn vom Rücken seines Greifen und ließ ihn neben uns ins Gras fallen. »Dort. In deiner Heimat, Havald.«
Wir sahen ihn alle sprachlos an.
»Oh, ich verstehe«, meinte Imra. »Ich sollte es vielleicht erklären. Wir führen anders Krieg als ihr. Wir sind wenige, aber wir sind schnell und hinterhältig. Manchmal müssen die Soldaten Thalaks denken, hinter jedem Baum wäre ein Elf, doch wenn sie dann stürmen, sind wir nicht mehr da. Wir sind nicht viele, Havald. Es sind nicht mehr als siebzig von uns, die in die Schlacht gezogen sind. Wir haben eine einfache Regel. Jeder von uns tötet jeden Tag fünf von Thalaks Soldaten. Aber so, dass man uns nicht sieht, nicht hört und es keine Zeugen gibt, die uns beschreiben könnten. Wir sind der Wind, das Gras, die Bäume. Wenn Stahlklaue einen Mann vom Himmel fallen lässt, dann in der Dämmerung, wenn ihn niemand fliegen sieht. Es fällt ein schreiender Mann aus dem Himmel … Mehr gibt es nicht zu sehen.« Imra musterte mich. »Einst gab es ein Heer von Elfen. Diese Zeiten sind vorbei, meine Mutter regiert nun über einen Clan von nicht viel mehr als viertausend.«
Serafine sah ihn erstaunt an, und Imra nickte ernst. »Wir sind die letzten, die geboren wurden. Seitdem der Fluss der Welten unterbrochen wurde, haben sich viele hingegeben … Andere starben auch so.« Er sah zu mir hinüber. »Wir sterben auf die gleiche Art und Weise wie ihr Menschen, darin gibt es keinen Unterschied. Nur das Alter berührt uns nicht, alles andere schon.« Er wandte sich Serafine zu. »Schwester, mein Volk stirbt. Es ist der Lauf der Welt. Aber noch gibt es uns, und noch sterben jeden Tag die Soldaten Thalaks durch unsere Hand.«
»Der Fluss der Welten fließt wieder«, sagte Lasra mit einem Lächeln. »Also gibt es auch für uns wieder Hoffnung.«
»Was ist der Fluss der Welten?«, fragte ich.
»Es ist die Quelle allen Seins. Es ist das, was jeden von uns nährt, den einen mehr, den anderen weniger. Es ist das, was verändert und schafft und zerstört.«
»Ströme reiner Magie?«, fragte Leandra leise.
Imra nickte. »So nennt ihr Menschen das, wenn ihr es sehen könnt. Du kannst es sehen, Leandra?«
»Ja«, gab sie leise zurück. »Ich kann diese Ströme sehen und fühlen. Sie sind um uns, in uns, in jedem Stein, in jedem Grashalm und in allem, was ist. Nichts bleibt unberührt.«
Imra sah sie mit neuer Achtung an. »Nicht viele sehen den Fluss der Welten so, es sind meist die Frauen, die eine große Bindung zu ihm haben. Wir Elfen … wir nähren uns zum Teil auch von ihm, nicht unsere Körper, sondern unsere Seelen. Der Fluss der Welten verging, als ich ein Kind war. Wo ein mächtiger Strom floss, blieb nicht mehr als ein Rinnsal. Ich selbst kannte es kaum anders, als dass es nur Spuren von ihm gab. Als er zurückkehrte, konnte ich nicht fassen, was es war, das wir verloren hatten, und verstand die Älteren, die vergangen waren, weil ihnen ein Leben ohne diesen Strom nichts mehr bedeutete.«
Ich hatte einen
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