Der Herr der Puppen: Das Geheimnis von Askir 4 (German Edition)
ich sah zu den Zinnen hoch. »Was ist mit den anderen Wachen?«
»Sie schlafen«, sagte Leandra.
Im gleichen Moment kam einer der Wächter die Zinnen entlang. Ich fluchte leise, sie folgte meinem Blick hoch zu den Zinnen und lächelte. »Sie schlafen im Gehen.«
»Das ist ein nützlicher Trick«, meinte ich, und sie grinste mich an.
»Nicht wahr?« Sie sah auf den Mann hinunter, den ich niedergeschlagen hatte. »Es hat vor allem den Vorteil, dass niemand etwas merkt.«
»Dann kann ich dir sagen, dass der Trick wirklich gut ist«, gab ich zurück. »Ich habe gar nicht gemerkt, dass er bereits schlief.«
Es dauerte nicht lange, bis Natalyia wiederkam. Sie gab uns ein Zeichen, ihr zu folgen, und das taten wir. Wieder war ich der Lauteste von allen, denn für das Schleichen hatte ich nun mal kein Talent. An der Außenmauer des Palasts lag gefesselt und geknebelt Saik Sarak, nackt, wie die Götter ihn schufen. Er sah Natalyia mit fast panischer Angst an, und als er mich erkannte, versteifte er sich mit weiten Augen und gurgelte etwas in seinen Knebel hinein. Neben ihm stand eine eisenbeschlagene Kiste, nicht ganz geschlossen, Seelenreißers Griff ragte aus ihr heraus. Diesmal war ich richtig froh, mein Schwert anzulegen. Ich hatte auch fast den Eindruck, als habe es ungeduldig auf mich gewartet.
In der Kiste befanden sich auch meine Kleider und Stiefel, ebenso der Beutel mit den Torsteinen, aber ein gewisser anderer Gegenstand fand sich darin nicht.
»Was vermisst du?«, fragte Leandra leise.
»Meinen Ring«, gab ich ihr genauso leise zurück.
Sie sah mich erstaunt an. »Aber du trägst ihn doch!«
Ich sah auf meine zerschundene Hand hinab: Der Ring befand sich dort, wo er immer war. Es war ein großer Ring aus Gold, schwer zu übersehen. Und ich trug ihn. Saik Sarak hatte ihn mir gelassen. Oder hatte er doch nicht? Ich versuchte mich daran zu erinnern, ob ich ihn in der Zelle getragen hatte. Da er an meiner Hand war, musste es so sein, aber …
Ich schnürte meine Kleider zu einem Bündel zusammen, nur die Stiefel wechselte ich an Ort und Stelle. Die des Arenawächters waren etwas zu klein und mehr als unbequem.
»Kannst du die Kiste zurückbringen?«, fragte ich Natalyia leise.
Sie nickte. »Sein Zimmer liegt direkt dahinter«, sagte sie und klopfte gegen die Wand. Sie nahm die Kiste, beugte sich in die Wand und richtete sich ohne die Kiste wieder auf. Dieser Anblick ließ mich immer wieder frösteln. Saik Sarak fand ihn wohl noch schreckenerregender, er sah beinah aus, als würde er gleich vor Furcht sterben.
»Kannst du unseren Gast allein tragen?«, fragte ich Armin. »Ich bin nicht ganz in Form.«
»Wir haben zwei Sänften dabei«, gab mein ehemaliger Diener zurück. »Es ist die beste Art, jemanden unauffällig durch die Stadt zu bringen. Wir fürchteten, Euch tragen zu müssen, wisst Ihr? Sie warten dort drüben an der Mauer.«
Ich war froh um Armins Weitsicht. Als ich mich in die bequemen Kissen sinken ließ, dachte ich, dass ich mich nie wieder bewegen wollte. »Du stinkst wirklich erbärmlich«, teilte mir Leandra mit. Sie hatte bewusst eine Ecke auf der anderen Seite der Sänfte gewählt.
Es waren große Sänften, von jeweils acht Mann getragen. Armin, Natalyia und der Saik befanden sich in der anderen. Armin und Natalyia mochten zusammen vielleicht so viel wiegen wie ich. Ich lehnte mich zurück, froh, dass es nicht meine eigenen Beine waren, die mein Gewicht tragen mussten, und schloss die Augen.
»Hattest du einen abwechslungsreichen Tag?«, fragte Leandra zuckersüß, als die Sänftenträger sich in Bewegung setzten. Ich öffnete die Augen wieder und bemerkte ihren funkelnden Blick.
»Ich habe die Arena besucht«, antwortete ich ihr in möglichst neutralem Tonfall.
»War es nett dort?«
»Es ging. Ich lernte einen Mann kennen, der gern Frauen umbrachte. Und einen anderen, der gerne mich umgebracht hätte. Und einen, von dem ich hoffe, dass er auch nicht ganz schuldlos war. Ich habe sie alle getötet.«
»Das tut mir leid, Havald«, sagte Leandra mit weicher Stimme. »War es schlimm?«
»Es war schlimm«, sagte ich einfach. »Aber jetzt ist es gut.«
8. Ein harter Mann
»Havald«, sagte jemand und schüttelte mich an der Schulter. Ich öffnete meine Augen, zum Teil jedenfalls: Das eine wollte noch immer nicht ganz aufgehen. Dem Licht nach war es früher Morgen. Leandra war bereits aufgestanden, das Bett neben mir war leer. Es war Serafine, die mich zu wecken versuchte. Warum
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