Der Herr der Puppen: Das Geheimnis von Askir 4 (German Edition)
angekommen, wandte ich mich wieder nach rechts, noch eine Tür versperrte mir den Weg. Diesmal passte kein Schlüssel, aber ich bemerkte einen Wächter auf der anderen Seite.
»Hallo«, rief ich. »Mach mal auf!« Ich gab mir Mühe, so zu klingen wie jemand aus Gasalabad. Es waren nur wenige Worte, und scheinbar gelang es mir auch.
»Bist du blind, oder sehe ich aus wie dein Diener?«, rief der Mann empört, doch er stand auf und kam zur Tür. Ich hörte den Schlüssel im Schloss.
»Wärst du mein Diener, könnte ich dich entlohnen«, sagte ich. »So hast du nur meinen Dank.«
Den hatte er wirklich, denn er zog die Tür auf, grummelte etwas und schloss wieder hinter mir ab. Ich ging an ihm vorbei, bemüht, nicht zu zeigen, wie steif und angeschlagen ich war. Ich trat durch eine andere, normale Tür hindurch und fand mich in einem hohen und breiten Gang wieder. Ein Ochsenkarren rollte an mir vorbei, er hatte Fässer geladen. Links war der Torbogen offen, rechts war er durch ein hohes Tor versperrt, das gerade wieder geschlossen wurde. Ich beschleunigte meinen Schritt und eilte hindurch, bevor das schwere Tor endgültig zufiel. Ein weiter Platz lag nun vor mir, ich sah verhüllte Marktstände, selbst für die Händler war es noch zu früh. Hinter dem Platz erkannte ich in der Dunkelheit das breite schimmernde Band des Gazar und ferne Lichter, Fackeln oder Öllampen. Ich drehte mich um und sah die hohen Mauern der Arena vor mir. Ich war frei. Jenseits des Gazar erkannte ich die Kuppel des Palasts des Mondes, sie glitzerte in der Dunkelheit. Ich wusste nun, wo ich war, und ging weiter.
Die Nacht gehörte Soltar, sie war sein Reich, das er nur mit dem Licht seiner Geschwister teilte, Borons Auge, das den Menschen auch in der Nacht sah, und Astartes Licht, in dem die Liebenden zueinander fanden. Beide standen am Himmel und spendeten mir Licht. Gab es Glück? Oder war es der Wille der Götter?
Ich sah hoch. »Danke.«
War das ein Gebet? Ich denke schon.
Am liebsten wäre ich auf der Stelle zusammengebrochen, jeder Schritt schmerzte fast unerträglich. Aber ob Schmerzen oder nicht, meine Beine taten ihren Dienst, und das mussten sie auch. Noch war tiefe Dunkelheit, ich hoffte darauf, dass Saik Sarak diese Nacht noch in seinem bequemen Bett im Palast des Turms verbrachte. Sollte er vorhaben aufzubrechen, dann wohl kaum vor Sonnenaufgang. Ich musste nur noch ein wenig länger durchhalten.
Ich fand den Palast des Turms unverändert vor. Bis auf die Tatsache, dass am Tor lediglich eine Wache stand und auf den Zinnen nur zwei. Es mochte noch andere geben, aber es war wohl so, wie ich vermutet hatte. Meine Angreifer waren Wächter des Turms gewesen, und ich hatte sie heute reichlich dezimiert. Zwei Wächter waren zu wenig für die Länge der Mauer. Aber sie war hoch, und ich sah keine Möglichkeit, sie zu erklettern. Also ging ich offen und unverhohlen auf das Tor zu. Wie oft drohte hier wirkliche Gefahr für die Wachen des Turms?
Wohl nicht oft, denn der Mann hatte sich kaum geregt, als ich ihm den Knauf des Dolchs an die Schläfe schlug. Ich fing ihn auf, als er zusammenbrach, und durchsuchte ihn schnell. Er hatte keinen Schlüssel bei sich. Das Tor war hoch genug für einen Wagen, doch es gab auch eine kleine Mannpforte darin. Ich drückte dagegen und dachte zuerst, sie wäre verschlossen, aber sie klemmte nur und öffnete sich mit einem Quietschen. Ich trat hindurch, die Pforte war so niedrig, dass ich mich bücken musste. Erst dann sah ich die Beine eines anderen Wächters vor mir liegen.
Ein dunkler Schatten glitt neben mir aus der Wand, und Stahl funkelte im Mondlicht. Nur mit Mühe entkam ich Natalyias Stoß, jedenfalls fast, ihre Klinge ritzte mir den Hals.
»Halt!«, zischte ich, doch sie setzte erneut zur Attacke an. Ob ich der noch ausgewichen wäre, weiß ich nicht, Natalyia war wirklich verflucht schnell. Doch eine fahle Klinge versperrte ihr plötzlich den Weg, da erst erkannte sie mich und sah mich über Steinherz’ Stahl hinweg ungläubig an.
»Es ist Havald!« Das war Leandras Stimme. Ich schaute an ihrer Klinge entlang in ihr Gesicht. Nur ihre Augen waren zu sehen, und sie glühten wieder rötlich, ein Anblick, der unter normalen Umständen vielleicht Furcht einflößend gewesen wäre, mir aber gerade höchst willkommen war. Sie trug die dunklen Gewänder einer Leibwache, kaum wahrzunehmen in der Dunkelheit. Hinter ihr löste sich Armin aus dem Schatten und sah mich erstaunt an. Auch er war dunkel
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