Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
Denn meine Hoffnung gründete sich auf einen dicken Gastwirt in Bree und meine Sorge auf Saurons Schläue. Aber ein dicker Mensch, der Bier ausschenkt, muss eben viele Gäste bedienen; und Saurons Macht ist noch immer geringer, als die Furcht sie erscheinen lässt. Doch so wie ich da im Ring von Isengard saß, allein und gefangen, fiel es mir nicht leicht zu glauben, dass diese Jäger, vor denen sonst alles flieht oder in den Staub sinkt, im fernen Auenland scheitern sollten.«
»Ich habe dich gesehen!«, rief Frodo. »Du bist auf und ab gegangen. Der Mond schien dir aufs Haar.«
Gandalf schwieg erstaunt und sah ihn an. »Es war nur ein Traum«, sagte Frodo, »aber eben fiel er mir wieder ein. Ich hatte ihn ganz vergessen. Den hatte ich vor einiger Zeit, ich glaube, bald nach dem Weggang aus dem Auenland.«
»Das war dann zu spät«, sagte Gandalf, »wie du sehen wirst. Ich war in einer üblen Lage. Und wer mich kennt, weiß, dass ich selten so in Not gewesen bin und mich mit solchen Rückschlägen nur schwer abfinden kann. Gandalf der Graue wie eine Fliege einer tückischen Spinne ins Netz gegangen! Aber auch die feinst gesponnenen Netze haben manchmal einen schwachen Faden.
Zuerst befürchtete ich, was Saruman wohl beabsichtigte, Radagast sei mit ihm im Einvernehmen. Doch hatte ich bei der Begegnung mit ihm kein Anzeichen von Verstellung in seiner Stimme oder in seinen Augen bemerkt. Sonst wäre ich niemals nach Isengard geritten, oder ich hätte mehr Vorsicht walten lassen. Das hatte sich auch Saruman gedacht, und darum hatte er den Boten über seine Absichten getäuscht. Es wäre ohnehin aussichtslos gewesen, den ehrlichen Radagast für eine solche Verräterei gewinnen zu wollen. Er überbrachte mir die Botschaft in gutem Glauben und weckte darum in mir keinen Argwohn.
Und daran wurde Sarumans Plan zuschanden. Denn Radagast sah keinen Grund, nicht zu tun, worum ich ihn gebeten hatte; und er ritt zum Düsterwald hin, wo er seit alten Zeiten viele Freundehatte. Die Adler aus dem Gebirge flogen weit übers Land und sahen so manches: die Ansammlungen der Wölfe, die Aufmärsche der Orks und die neun Reiter, die kreuz und quer durch die Lande streiften; und sie erfuhren auch von Gollums Flucht. Und mit all diesen Meldungen schickten sie einen Boten zu mir.
So kam es, dass in einer Mondnacht, als der Sommer zu Ende ging, Gwaihir der Windfürst, der schnellste der großen Adler, unverhofft über dem Orthanc erschien; und er fand mich auf der Zinne stehend. Ich sprach mit ihm, und er trug mich davon, ehe Saruman etwas merkte. Ich war schon weit fort, als die Wölfe und Orks aus dem Tor gehetzt kamen, um mich zu verfolgen.
›Wie weit kannst du mich denn tragen?‹, sagte ich zu Gwaihir. ›Meilenweit‹, sagte er, ›aber nicht bis ans Ende der Welt. Ich bin
Eilbote und kein Lastträger.‹
›Dann brauche ich ein bodengängiges Reittier‹, sagte ich, ›und zwar ein unerhört schnelles, denn ich hab es noch nie so eilig gehabt.‹
›Dann trag ich dich nach Edoras, wo der König von Rohan in seiner Halle sitzt‹, sagte er, ›denn das ist nicht sehr weit.‹ Und da war ich froh, denn in der Riddermark von Rohan wohnen die Rohirrim, die Herren der Pferde, und nirgendwo gibt es Pferde gleich den ihren, die in dem weiten Tal zwischen dem Nebelgebirge und dem Weißen Gebirge gezüchtet werden.
›Ob man den Menschen von Rohan noch trauen kann? Was meinst du?‹, sagte ich zu Gwaihir, denn Sarumans Verrat hatte mich argwöhnisch gemacht.
›Sie entrichten Tribut in Pferden und schicken jedes Jahr viele nach Mordor, oder jedenfalls sagt man das; aber ganz unterm Joch sind sie noch nicht. Aber wenn Saruman so schlimm geworden ist, wie du sagst, dann kann ihr Ende nicht mehr fern sein.‹
Vor Morgengrauen setzte er mich in Rohan ab; aber ich merke nun, meine Geschichte zieht sich allzu sehr in die Länge. Das Übrige muss ich abkürzen. In Rohan, fand ich, war die böse Saat schon aufgegangen. Sarumans Lügen taten ihre Wirkung, und von meinen Warnungen wollte der König des Landes nichts hören. Er hießmich ein Pferd nehmen und verschwinden, und ich suchte mir eines aus, sehr zu meinem Gefallen und um so weniger zu seinem. Ich nahm das beste Pferd im ganzen Land, ein Pferd, wie ich noch nie eines gesehen habe.«
»Dann muss es wohl ein edles Tier sein«, sagte Aragorn; »und mehr als manch andere, scheinbar schlimmere Nachricht ärgert mich, dass Sauron solch einen Tribut erheben kann. So war es noch nicht,
Weitere Kostenlose Bücher