Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
andere Dinge im Sinn. Die Ents nämlich liebten die großen Bäume, die wilden Wälder und die Hänge der hohen Berge; und sie tranken aus den Bergbächen und aßen nur solche Früchte, die ihnen die Bäume auf den Weg streuten; und sie lernten von den Elben und sprachen mit den Bäumen. Die Entfrauen aber wandten sich den kleineren Bäumen zu und den Wiesen im Sonnenschein zu Füßen des Waldes; und im Frühling sahen sie den Schlehdorn im Dickicht blühen, die Kirschbäume und den wilden Apfel; und im Sommer achteten sie auf die grünen Kräuter in den Flusstälern und im Herbst auf die samentragenden Gräser auf den Wiesen. Mit diesen Dingen zu sprechen hatten sie kein Verlangen; doch wollten sie, dass sie gehorchten und taten, was sie ihnen sagten. Sie befahlen den Pflanzen, nach ihren, der Entfrauen, Wünschen zu wachsen und nach ihrem Belieben Frucht und Blatt zu tragen; denn sie wollten Ordnung, Überfluss und Frieden (womit sie meinten, dass alles da bleiben sollte, wo sie es hingesetzt hatten). So schufen sie Gärten, um darin zu leben. Wir Ents aber wanderten weiter umher und besuchten die Gärten nur hin und wieder. Als dann im Norden die Dunkelheit kam, gingen die Entfrauen über den Großen Strom, legten neue Gärten an und bestellten neue Felder, und wir sahen sie noch seltener. Nachdem die Dunkelheit überwunden war, blühte das Land der Entfrauen auf, und ihre Felder standen voller Getreide. Viele Menschen erlernten die Kunst der Entfrauen und hielten sie hoch in Ehren; uns aber kannten sie nur noch aus Sagen und wir waren ein Geheimnis im Waldesinnern. Doch wir hier sind noch immer da, während alle Gärten der Entfrauen verwüstet sind: Die Menschen nennen sie nun die Braunen Lande.
Ich weiß noch, wie mich vor langer Zeit – zur Zeit des Krieges zwischen Sauron und den Menschen von jenseits des Meeres – das Verlangen überkam, Fimbrethil wiederzusehen. Sehr schön war sie in meinen Augen noch immer gewesen, als ich sie zuletzt gesehenhatte, wenn auch dem Entmädchen von einst kaum mehr ähnlich. Denn die Entfrauen waren gebeugt von ihrer Arbeit und braungebrannt, das Haar war von der Sonne gebleicht zur Farbe des reifen Weizens, die Wangen waren wie rote Äpfel. Doch ihre Augen waren noch die Augen unserer Art. Wir überschritten den Anduin und kamen in ihr Land. Dort aber fanden wir eine Wüste vor: Alles war verbrannt und entwurzelt, denn der Krieg war darüber hingegangen. Die Entfrauen waren nicht dort. Lange riefen und suchten wir nach ihnen, und jeden, den wir trafen, fragten wir, wo die Entfrauen hingezogen seien. Manche sagten, sie hätten sie nie gesehen; manche sagten, sie hätten sie nach Westen gehn sehen, andere sagten, nach Osten, und wieder andere, nach Süden. Aber wo wir auch suchten, wir fanden sie nicht. Groß war unser Schmerz. Doch der wilde Wald rief, und so kehrten wir in ihn zurück. Über viele Jahre hin sind wir immer wieder ausgezogen, um nach den Entfrauen zu suchen, sind weit gewandert und haben sie bei ihren schönen Namen gerufen. Doch mit der Zeit gingen wir seltener fort und nicht mehr so weit. Und jetzt sind die Entfrauen für uns nur noch eine Erinnerung, und unsere Bärte sind lang und grau. Die Elben haben viele Lieder über die Suche der Ents gedichtet, und manche davon haben auch in die Sprachen der Menschen Eingang gefunden. Wir selbst haben keine Lieder darüber gesungen, denn es genügt uns, ihre schönen Namen erklingen zu lassen, wenn wir an die Entfrauen denken. Wir glauben, dass wir sie dereinst wiedersehen werden, und vielleicht finden wir dann irgendwo ein Land, wo wir beisammen wohnen können, zu ihrer und zu unserer Zufriedenheit. Doch ist geweissagt, dass dies erst sein wird, wenn auch wir alles verloren haben, was wir jetzt besitzen. Denn so wie Sauron einst die Gärten verwüstet hat, so scheint er heute im Begriff, alle Wälder verdorren zu lassen.
Es gab ein elbisches Lied, das davon handelt, oder so wenigstens habe ich es verstanden. Überall am Großen Strom wurde es früher gesungen. Ein entisches Lied, wohlgemerkt, war es nie: In unserer Sprache wäre es sehr lang gewesen. Aber wir kennen es auswendig und summen es dann und wann. So geht es in eurer Sprache:
E NT:
Entfaltet Frühling Blatt um Blatt, steht Buche schon im Saft;
Schießt auch der Wildbach schnell dahin und hat die Sonne Kraft,
Macht in der herben Höhenluft wandern wieder Lust,
O sag mir dann: schön ist dein Land – und komm an meine Brust.
E NTFRAU:
Bricht Lenz
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