Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
die Klamm. Aragorn erreichte die Tür, und rasch wurde sie hinter ihm zugeschlagen.
»Schlecht steht es um uns, Freunde«, sagte er und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn.
»Ziemlich schlecht«, sagte Legolas, »doch nicht hoffnungslos, solange wir dich haben. Wo ist Gimli?«
»Ich weiß nicht«, sagte Aragorn. »Ich sah ihn im Gefecht in der Klamm hinter dem Wall, aber wir wurden von den Feinden auseinandergedrängt.«
»O weh! Schlechte Nachricht!«, sagte Legolas.
»Er ist stark und tapfer«, sagte Aragorn. »Hoffen wir, dass er sich zu den Höhlen retten kann. Da wäre er für eine Weile sicher. Sicherer als wir. Es wäre eine Zuflucht ganz nach seinem Geschmack.«
»Darauf muss ich hoffen«, sagte Legolas. »Aber ich wünschte, er wäre hierher durchgekommen. Ich wollte ihm berichten, dass ich nun bei neununddreißig bin.«
»Wenn er sich zu den Höhlen durchschlägt, wird er deine Zahl übertreffen«, sagte Aragorn. »Nie hab ich jemanden so die Axt schwingen sehn.«
»Ich muss Pfeile suchen«, sagte Legolas. »Wäre nur diese Nacht schon vorüber, dass ich bei besserem Licht zielen könnte!«
Aragorn ging in die Burg. Zu seinem Schrecken erfuhr er, dass Éomer die Burg nicht erreicht hatte.
»Nein, auf den Felsen ist er nicht gekommen«, sagte einer von den Westfoldern. »Ich sah ihn zuletzt an der Einmündung in die Klamm, wie er dort kämpfte und Männer um sich sammelte. Gamling war bei ihm und der Zwerg; aber ich kam nicht zu ihnen durch.«
Aragorn ging weiter, durch den Innenhof und treppauf zu einem Zimmer hoch oben im Turm. Dort stand der König, ein dunkler Umriss vor einem schmalen Fenster, und schaute ins Tal hinaus.
»Wie steht’s, Aragorn?«, sagte er.
»Den Klammwall haben sie eingenommen, Herr, und die Verteidiger weggefegt, aber viele sind hierher auf den Felsen entkommen.«
»Ist Éomer hier?«
»Nein, Herr. Aber viele von unseren Mannen haben sich in die Klamm zurückgezogen, und manche sagen, Éomer sei bei ihnen. An den engen Stellen der Schlucht können sie den Feind aufhalten und sich in die Höhlen retten. Welche Aussichten sie dann haben, weiß ich nicht.«
»Bessere als wir. Vorräte, heißt es, haben sie genug. Und die Luft ist gut dort, weil sie durch tiefe Spalte im Fels abzieht. Gegen entschlossene Männer kann niemand den Eingang erzwingen. Sie können sich lange halten.«
»Aber die Orks haben eine neue Teufelei aus dem Orthanc mitgebracht«, sagte Aragorn. »Sie haben ein Sprengfeuer, und damit haben sie den Wall eingenommen. Wenn sie in die Höhlen nicht eindringen können, werden sie vielleicht dafür sorgen, dass niemand mehr herauskommt. Doch jetzt dürfen wir nur noch an unsere eigene Verteidigung denken.«
»Ich verzehre mich in diesem Gefängnis«, sagte Théoden. »Hätte ich mit eingelegter Lanze an der Spitze meiner Männer in die Schlacht reiten können, vielleicht hätte ich dann noch einmal Kampfesfreude verspürt und dabei mein Ende gefunden. Doch hier bin ich zu nichts nütze.«
»Hier befindet Ihr Euch immerhin in der stärksten Festung der Mark«, sagte Aragorn. »In der Hornburg haben wir bessere Aussichten, Euch zu verteidigen, als in Edoras oder selbst in Dunharg in den Bergen.«
»Es heißt, die Hornburg sei noch nie gestürmt worden«, sagte Théoden, »doch jetzt kommen mir Zweifel. Die Welt wird anders, und alles, was einst stark war, erweist sich nun als unsicher. Wie soll ein Turm solcher Überzahl und solch ungestümem Hass standhalten? Hätt ich gewusst, dass Isengard so stark geworden ist, wäre ich vielleicht nicht so forsch dagegen ins Feld geritten, trotz allen Künsten Meister Gandalfs. Sein Rat erscheint mir jetzt nicht mehr so gut wie in der Morgensonne.«
»Über Gandalfs Rat urteilt erst, wenn alles vorüber ist, Herr«, sagte Aragorn.
»Das Ende wird nicht lange auf sich warten lassen«, sagte der König. »Aber ich will es nicht hier erwarten, wie ein alter Dachs in der Falle. Schneemähne, Hasufel und die Pferde meiner Garde stehen im Innenhof. Wenn der Morgen graut, lasse ich Helms Horn blasen und reite aus. Reitest du mit mir, Arathorns Sohn? Vielleicht können wir uns einen Weg bahnen, oder wir finden ein Ende, das eines Liedes würdig ist – wenn danach noch jemand übrig bleibt, um uns zu besingen.«
»Ich reite mit Euch«, sagte Aragorn.
Dann ließ er den König allein und ging auf die Mauern, machte die Runde, sprach den Männern Mut zu und griff selbst in den Kampf ein, wo er am
Weitere Kostenlose Bücher