Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
Dutzend. Zuletzt war es Kampf bis aufs Messer hier oben.«
Éomer und Aragorn stützten sich müde auf ihre Schwerter. Zur Linken wurde das Schlachtgetöse auf dem Felsen schon wieder lauter. Aber noch immer hielt die Hornburg stand, wie eine Insel im stürmischen Meer. Die Torflügel lagen in Trümmern, aber über die Barrikade aus Balken und Steinen, die dahinter stand, war noch kein Feind hinweggestiegen.
Aragorn blickte zu den blassen Sternen auf und zum Mond, der im Begriff war, hinter den Hügeln an der Westseite des Tals unterzugehen. »Diese Nacht dauert Jahre«, sagte er. »Wie lange lässt der Tag noch auf sich warten?«
»Der Morgen ist nicht mehr fern«, sagte Gamling, der nun heraufgestiegen war und zu ihnen trat. »Aber er wird uns nichts nützen, fürchte ich.«
»Trotzdem ist der Morgen immer die Hoffnung der Menschen«, sagte Aragorn.
»Aber diese Isengarder Kreaturen, diese Halborks oder Orkmenschen, die Saruman mit seinem Hexenzauber gezüchtet hat, die machen nicht schlapp in der Sonne«, sagte Gamling. »Und die wilden Menschen aus dem Hügelland schon gar nicht. Hörst du nicht, wie sie schreien?«
»Ich höre sie«, sagte Éomer. »Aber für mein Ohr ist das nur Vogelgekreisch und viehisches Gebrüll.«
»Doch viele schreien in der dunländischen Sprache«, sagte Gamling. »Ich kenne diese Sprache. Es ist eine alte Mundart der Menschen, und einst wurde sie in vielen westlichen Tälern der Mark gesprochen. Hört! Sie hassen uns, und jetzt freuen sie sich, denn unser Untergang scheint ihnen gewiss. ›Den König, den König!‹, rufen sie. ›Wir nehmen ihren König gefangen! Tod den Forgoil! Tod den Strohköpfen! Tod den Landräubern aus dem Norden!‹ Das sind ihre Schimpfnamen für uns. Auch nach fünfhundert Jahren haben sie ihren Groll darüber noch nicht vergessen, dass die Herren von Gondor die Mark Eorl dem Jungen überlassen und ein Bündnis mit ihm geschlossen haben. Diesen alten Hass hat Saruman wieder angefacht. Und wenn sie einmal in Wut sind, können sie grimmig dreinschlagen. Ob es Morgen oder Abend wird, sie werden nicht aufgeben, bevor nicht Théoden gefangen ist oder sie selbst tot sind.«
»Dennoch, mir bringt der Tag Hoffnung«, sagte Aragorn. »Heißt es nicht, die Hornburg sei nie eingenommen worden, wenn Menschen sie verteidigten?«
»So sagen die Barden«, sagte Éomer.
»Dann wollen wir sie verteidigen und hoffen«, sagte Aragorn.
Während sie noch sprachen, erschallten Trompeten. Dann krachte und blitzte es, und eine Rauchwolke stieg auf. Das Wasser des Klammbachs ergoss sich schäumend und prasselnd nach draußen: Es wurde nicht mehr gestaut; in den Wall war ein klaffendes Loch gesprengt worden. Ein Haufen dunkler Gestalten strömte hinein.
»Sarumans Teufelswerk!«, rief Aragorn. »Sie sind, während wir hier redeten, wieder in die Rinne gekrochen und haben unter unseren Füßen das Orthancfeuer gezündet. Elendil, Elendil!«, rief er und sprang hinunter in die Bresche; aber schon wurden hundert Leitern an die Mauer gestellt, und der letzte Sturmangriff rollte heran, über den Wall und unter dem Wall hindurch, wie eine dunkle Woge über eine Sandbank. Die Verteidiger wurden weggefegt. Manche der Männer wurden in die Klamm zurückgedrängt, tiefer und tiefer hinein, fallend oder fechtend und Schritt für Schritt zu den Höhlen hin zurückweichend. Andere versuchten, sich zur Burg durchzuschlagen.
Eine breite Treppe führte aus der Schlucht auf den Felsen und zum hinteren Tor der Hornburg hinauf. Am Fuß der Treppe stand Aragorn. In seiner Hand gleißte noch immer Andúril, und der Respekt vor der Klinge hielt die Feinde einstweilen auf, während diejenigen, die sich zur Treppe gerettet hatten, einer nach dem andern zum Tor hinaufstiegen. Hinter Aragorn kniete Legolas auf den oberen Stufen. Er hielt den Bogen gespannt, mit dem letzten aufgelesenen Pfeil, den er noch hatte, bereit, den ersten Ork zu erschießen, der es wagen würde, sich der Treppe zu nähern.
»Alle, die entkommen konnten, sind drinnen, Aragorn«, rief er. »Komm herauf!«
Aragorn drehte sich um und rannte die Treppe hinauf, aber vor Müdigkeit strauchelte er. Sofort stürmten die Feinde vor. Johlend kamen die Orks die Treppe hoch, die langen Arme schon nach ihm ausgestreckt. Der vorderste fiel mit Legolas’ letztem Pfeil in der Kehle, aber die anderen setzten über ihn hinweg. Dann krachte ein großer Stein, von der Außenmauer herabgeschleudert, auf die Treppe und warf sie zurück in
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