Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
Er ist ein Geheimniskrämer, nicht? Hat sich überhaupt nicht verändert.«
»O ja, doch!«, sagte Merry, der nun wacher wurde und anfing, sich zu fragen, was sein Freund nur hatte. »Er ist gewachsen, irgendwie. Er kann nun noch freundlicher sein als früher, aber auch erschreckender, lustiger und ernster zugleich, finde ich. Er hat sich verändert; nur hatten wir noch keine Gelegenheit, viel davon zu merken. Aber denk doch nur an den letzten Teil dieser Auseinandersetzung mit Saruman! Du weißt ja, Saruman war einmal Gandalfs Oberer: Vorsitzender des Rats, was immer das genau heißen mag. Er war Saruman der Weiße. Jetzt ist Gandalf der Weiße. Saruman ist auf seinen Befehl herbeigekommen, und sein Zauberstab wurde ihm genommen; und dann ist er auf Befehl wieder gegangen.«
»Na, wenn Gandalf sich überhaupt verändert hat, dann ist er jetzt noch zugeknöpfter denn je«, widersprach Pippin. »Diese – Glaskugel zum Beispiel. An der schien ihm viel zu liegen. Er weiß oder ahnt etwas darüber. Aber denkst du, uns sagt er etwas davon? Nein, kein Wort. Dabei hab ich sie doch aufgehoben, sonst wäre sie in den Tümpel gerollt. Her damit, das bekomme ich – das war alles. Ich möchte wissen, was das für ein Ding ist. Es war mächtig schwer.« Pippins Stimme wurde ganz leise, als spräche er mit sich selbst.
»He!«, sagte Merry. »Also das macht dir zu schaffen? Na, Pippin, mein Junge, dann vergiss nur nicht diesen Spruch von Gildor, den Sam immer zitiert hat: Misch dich nicht in die Angelegenheiten von Zauberern, denn sie sind spitzfindig und schnell erzürnt. «
»Aber unser ganzes Leben ist seit Monaten schon eine einzige langwierige Einmischung in die Angelegenheiten von Zauberern«, sagte Pippin. »Zu der Gefahr hätte ich gern auch ein paar Informationen. Ich möchte mir diese Kugel mal ansehen.«
»Ach, schlaf jetzt!«, sagte Merry. »Du kriegst noch Informationen genug, früher oder später. Mein lieber Pippin, was die Neugier angeht, kann kein Tuk es mit einem Brandybock aufnehmen; aber ich frage dich, muss das grad jetzt sein?«
»Schon gut, was ist denn so schlimm daran, wenn ich dir sage, was ich gern tun würde, nämlich diesen Stein ansehen? Ich weiß ja, es geht nicht, weil der alte Gandalf draufsitzt wie die Glucke auf dem Ei. Aber es hilft mir auch nichts, wenn du nicht mehr dazu sagen kannst als ›geht nun mal nicht, also schlaf!‹«
»Na, was soll ich denn sonst sagen?«, sagte Merry. »Tut mir leid, Pippin, aber damit musst du wirklich bis zum Morgen warten. Nach dem Frühstück bin ich genauso neugierig wie du und helf dir gerne dabei, einem Zauberer irgendwelche Informationen abzuschwatzen. Aber jetzt kann ich mich nicht mehr wach halten. Wenn ich noch länger gähne, krieg ich den Mund nicht mehr zu. Gute Nacht!«
Pippin sagte nichts mehr. Er lag nun still, aber der Schlaf wollte nicht kommen, und auch Merrys ruhiges Atemgeräusch, das verriet, dass er nach wenigen Minuten eingeschlafen war, wirkte auf Pippin nicht ansteckend. Der Gedanke an die dunkle Kugel schien immer mehr Kraft zu gewinnen, als alles ringsum still wurde. Er spürte wieder ihr Gewicht in den Händen und sah wieder die geheimnisvollen roten Abgründe, in die er sekundenlang hineingeblickt hatte. Er wälzte sich herum und versuchte, an etwas anderes zu denken.
Schließlich hielt er es nicht länger aus. Er stand auf und schaute umher. Ihn fror, und er zog den Mantel dichter um den Leib. Der Mond schien kalt und weiß ins Tal herein, und die Büsche warfen schwarze Schatten. Überall nahebei lagen die anderen und schliefen. Die zwei Wachtposten waren nicht zu sehen; vielleicht waren sie oben auf dem Hügel oder im Farn versteckt. In einer Anwandlung, die er nicht verstand, ging Pippin leise dahin, wo Gandalf lag. Er blickte hinab. Der Zauberer schien zu schlafen, hatte aber die Lider nicht ganz geschlossen; die Augen schimmerten ein wenig unter den langen Wimpern hervor. Hastig trat Pippin zurück. Aber Gandalf rührte sich nicht, und halb gegen seinen Willen angezogen schlich der Hobbit hinter dem Kopf des Zauberers wieder näher heran. Gandalf hatte sich in eine Decke gewickelt und den Mantel darüber gebreitet; und dicht neben ihm, zwischen seiner rechten Seite und dem angewinkelten Arm, war ein Buckel, etwas Rundes, eingehüllt in ein dunkles Tuch; seine Hand schien eben erst davon abgeglitten zu sein.
Pippin wagte kaum zu atmen. Fuß um Fuß schlich er näher. Zuletzt kniete er sich hin. Dann streckte er
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