Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
hatten, war keine Baumreihe, sondern eine Reihe von Büschen am Rand eines tiefen Grabens, mit einem steilen Wall auf der anderen Seite. Tom sagte, dies sei einst die Grenze eines Königreichs gewesen, aber das sei schon sehr lange her. Traurige Erinnerungen schienen ihm zu kommen, und er wollte nicht mehr dazu sagen.
Sie durchstiegen den Graben und kamen auf der anderen Seite durch eine Lücke im Wall. Nun wandte sich Tom genau nach Norden, denn bisher waren sie ein wenig nach Westen abgewichen. Das Gelände war offen und einigermaßen eben, und sie beschleunigten das Tempo; aber die Sonne stand schon tief am Himmel, als sie eine Reihe hoher Bäume vor sich sahen und wussten, dass sie nach so vielen unerwarteten Abenteuern endlich die Straße erreicht hatten. Die letzten paar hundert Schritt nahmen sie im Galopp; dann hielten sie im langen Schatten der Bäume. Sie standen am Rand eines Abhangs, und unter ihnen, im Abendlicht nur noch trüb zu erkennen, zog sich die Straße dahin. An dieser Stelle verlief sie ungefähr von Südwest nach Nordost, und rechts von ihnen fiel sie tief ab in eine weite Mulde. Sie war ausgefahren, mit Pfützen und Schlaglöchern voller Wasser, die verrieten, dass es in den letzten Tagen viel geregnet hatte.
Sie ritten den Abhang hinunter und schauten in beide Richtungen. Nichts war zu sehen. »Na, da wären wir endlich wieder!«, sagte Frodo. »Ich denke, bei meiner Abkürzung durch den Wald haben wir nicht mehr als zwei Tage verloren. Aber die Verzögerung könnte nützlich gewesen sein. Vielleicht haben sie dadurch unsere Fährte verloren.«
Die anderen sahen ihn an. Plötzlich dachten sie wieder an die Schwarzen Reiter. Seit ihrem Eintritt in den Wald waren sie hauptsächlich damit beschäftigt gewesen, den Weg zur Straße zu finden; und erst jetzt, wo sie unter ihren Füßen lag, erinnerten sie sich an die Gefahr, die ihnen, mehr als wahrscheinlich, an eben dieser Straße auflauerte. Ängstlich blickten sie zurück in die untergehende Sonne, doch die Straße war braun und leer.
»Meint ihr«, fragte Pippin stockend, »meint ihr, dass wir vielleicht verfolgt werden, heute Abend noch?«
»Nein, heute Abend hoffentlich nicht«, antwortete Tom Bombadil, »und vielleicht auch morgen noch nicht. Aber verlasst euch nicht drauf, denn mit Sicherheit kann ich es nicht sagen. Nach Osten zu versagt mein Wissen. Tom ist nicht Meister der Reiter aus dem Schwarzen Land, weit jenseits seines Reiches.«
Trotzdem wäre es den Hobbits mehr als recht gewesen, wenn er sie begleitet hätte. Wenn irgendwer wüsste, wie man mit Schwarzen Reitern fertig wird, dachten sie, dann er. Bald würden sie nun in Gegenden kommen, deren sie völlig unkundig waren, weil sie im Auenland allenfalls sagenhaft verschwommene Gerüchte über sie gehört hatten; und in der zunehmenden Dämmerung sehnten sie sich nach Hause. Sie fühlten sich zutiefst einsam und verlassen. Stumm standen sie da, mochten noch nicht endgültig Abschied nehmen und merkten erst langsam, dass Tom schon dabei war, ihnen Lebewohl zu sagen. Guten Mutes sollten sie sein, sagte er, und ohne Aufenthalt zureiten, bis es dunkel werde.
»Tom weiß euch guten Rat, doch nur bis dieser Tag um ist (danach muss euer Glück euch geleiten): Nach vier Meilen auf dieser Straße kommt ihr zu einem Dorf, Bree unter dem Breeberg, mit den Türen nach Westen. Dort findet ihr das alte Gasthaus Zum tänzelnden Pony; Gerstenmann Butterblüm heißt der ehrenwerte Inhaber. Dort könnt ihr über Nacht bleiben, und morgen dann macht ihr, dass ihr weiterkommt. Seid mutig, aber vorsichtig! Lasst die Köpfe nicht hängen und reitet eurem Geschick entgegen!«
Sie baten ihn, doch wenigstens bis zum Gasthaus mitzukommen und noch einen mit ihnen zu trinken, aber er lachte nur und lehnte ab, mit den Worten:
Toms Reich endet hier, er wird es nicht verlassen.
Tom hütet Haus und Hof, und Goldbeere wartet.
Dann drehte er sich um, warf den Hut hoch, sprang auf Plumpels Rücken, ritt die Böschung hinauf und dann singend in die Dämmerung davon.
Auch die Hobbits stiegen die Böschung hinauf; sie schauten ihm nach, bis er außer Sicht war.
»Von Meister Bombadil Abschied zu nehmen fällt mir schwer«, sagte Sam. »Was für ein seltsamer Kauz! Ich meine, auch wenn wir noch viel weiter herumkommen, einen besseren Mann werden wir nicht finden – und einen verrückteren auch nicht. Aber ich kann nicht bestreiten, dass ich mich jetzt auf dieses Tänzelnde Pony freue, von dem er
Weitere Kostenlose Bücher