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Der Herr der Ringe

Der Herr der Ringe

Titel: Der Herr der Ringe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. R. R. Tolkien
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unverletzt waren, spürten, wie ihr Geist ruhiger und klarer wurde. Das Kraut hatte aber auch Macht über die Wunde, denn Frodo merkte, wie der Schmerz und auch das Kältegefühl in seiner Seite nachließen. Doch das Leben kehrte in seinen Arm nicht zurück, und er konnte die Hand weder heben noch gebrauchen. Er bereute bitterlich seine Torheit und machte sich Vorwürfe wegen seiner Willensschwäche; denn er erkannte jetzt, dass er, als er den Ring aufsetzte, nicht seinem eigenen Verlangen gehorcht hatte, sondern dem Befehl seiner Feinde. Er fragte sich, ob er sein Leben lang verkrüppelt bleiben würde, und wie es ihnen gelingen sollte, ihre Wanderung fortzusetzen. Er war so schwach, dass er nicht stehen konnte.
    Die anderen erörterten ebendiese Frage. Sie kamen rasch zu dem Entschluss, die Wetterspitze so bald als möglich zu verlassen. »Ich glaube jetzt«, sagte Streicher, »dass der Feind diesen Ort schon seit einigen Tagen beobachtet hat. Wenn Gandalf überhaupt hierher kam, dann wird er gezwungen worden sein, fortzureiten, und er wird nicht zurückkehren. Jedenfalls sind wir hier nach Einbruch der Dunkelheit nach dem Angriff der letzten Nacht in großer Gefahr, und wo immer wir auch hingehen, kann die Gefahr kaum größer sein.«
    Sobald es richtig hell war, nahmen sie eine eilige Mahlzeit zu sich und packten. Frodo konnte unmöglich laufen, deshalb teilten die vier anderen den größeren Teil des Gepäcks unter sich auf und ließen Frodo auf dem Pony reiten. In den letzten Tagen hatte sich das arme Tier prächtig herausgemacht; es schien bereits fetter und kräftiger zu sein und zeigte Zuneigung zu seinen neuen Herren, besonders zu Sam. Lutz Farnings Behandlung musste wirklich ziemlich schlecht gewesen sein, wenn dem Pony eine Wanderung in der Wildnis besser erschien als sein früheres Leben.
    Sie brachen in südlicher Richtung auf. Das bedeutete zwar, dass sie die Straße überqueren mussten, aber es war der schnellste Weg in waldreicheres Gelände. Und sie brauchten Brennholz, denn Streicher sagte, dass Frodo warm gehalten werden müsse, besonders des Nachts, und Feuer würde überdies für sie alle ein Schutz sein. Außerdem wollte er ein Stück Wegs abkürzen, denn die Straße machte hinter der Wetterspitze eine große Schleife nach Norden.
    Sie umgingen langsam und vorsichtig die südwestlichen Hänge des Berges und kamen nach einer Weile zur Straße. Von den Reitern war keine Spur zu sehen. Aber gerade, als sie die Straße eiligst überquerten, hörten sie in der Ferne zwei Schreie: Eine kalte Stimme rief, und eine zweite kalte Stimme antwortete. Zitternd sprangen sie vorwärts und beeilten sich, in das Dickicht zu kommen, das vor ihnen lag. Das Land fiel nach Süden ab, aber es war wild und weglos; Büsche und verkrüppelte Bäume standen in Gruppen dicht beieinander, und dazwischen lagen öde Strecken. Das Gras war spärlich, rauh und grau; und die Blätter in den Gebüschen waren verwelkt und fielen ab. Es war ein trostloses Land, und sie wanderten langsam und bedrückt dahin. Sie sprachen wenig. Frodo war bekümmert, als er sah, wie sie mit gesenkten Köpfen neben ihm hergingen und ihre Rücken gebeugt waren unter ihren Lasten. Selbst Streicher schien müde und niedergeschlagen zu sein.
    Ehe der erste Tagesmarsch vorüber war, wurden Frodos Schmerzen wieder stärker, aber er erwähnte es lange Zeit nicht. Vier Tage verstrichen, ohne dass sich das Gelände oder die Gegend viel veränderten, abgesehen davon, dass die Wetterspitze langsam hinter ihnen versank und die fernen Berge vor ihnen etwas näher rückten. Doch hatten sie seit jenem fernen Schrei kein Anzeichen dafür gehört oder gesehen, dass der Feind ihre Flucht bemerkt hätte oder ihnen folgte. Sie fürchteten die dunklen Stunden und hielten nachts zu zweit Wache, denn sie erwarteten jeden Augenblick, schwarze Gestalten in der grauen Nacht umgehen zu sehen, die durch den wolkenverhangenen Mond nur schwach erhellt war; aber sie sahen nichts und hörten keinen Laut außer dem Seufzen von verwelkten Blättern und Gras. Kein einziges Mal empfanden sie die Gegenwart von etwas Bösem, wie sie es vor dem Angriff in der Mulde gespürt hatten. Sie wagten kaum zu hoffen, dass die Reiter ihre Spur schon wieder verloren hätten. Vielleicht warteten sie, um irgendwo an einer engen Stelle einen Hinterhalt zu legen?
    Am Ende des fünften Tages begann das Gelände wieder langsam anzusteigen aus dem weiten flachen Tal, in das sie hinabgewandert waren.

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