Der Herr der Ringe
sie und lieferten ihnen gestern im Morgengrauen eine Schlacht. Fünfzehn meiner Leute verlor ich leider, und zwölf Pferde. Denn die Orks waren zahlreicher, als wir erwartet hatten. Andere hatten sich ihnen angeschlossen, die aus dem Osten über den Großen Strom gekommen waren; ihre Spur ist ein wenig nördlich von dieser Stelle deutlich zu sehen. Und noch andere kamen aus dem Wald. Große Orks, die auch die Weiße Hand von Isengart trugen: Diese Art ist stärker und grausamer als alle anderen.
Trotzdem machten wir ein Ende mit ihnen. Aber wir sind schon zu lange fort gewesen. Wir werden im Süden und Westen gebraucht. Wollt Ihr nicht mitkommen? Es sind Pferde übrig, wie Ihr seht. Es gibt Arbeit für das Schwert. Ja, und auch für Gimlis Axt und Legolas’ Bogen könnten wir Verwendung finden, wenn sie mir meine voreiligen Worte über die Herrin des Waldes verzeihen wollen. Ich sprach nur, wie alle Menschen in meinem Land sprechen, und gern würde ich eines Besseren belehrt werden.«
»Ich danke Euch für Eure freundlichen Worte«, sagte Aragorn, »und mein Herz verlangt, mit Euch zu kommen; aber ich kann meine Freunde nicht im Stich lassen, solange noch Hoffnung besteht.«
»Es besteht keine Hoffnung«, sagte Éomer. »Ihr werdet Eure Freunde nicht an den Nordgrenzen finden.«
»Dennoch sind unsere Freunde nicht zurückgeblieben. Nicht weit vom Ostwall fanden wir ein deutliches Zeichen, dass zumindest einer von ihnen dort noch am Leben war. Doch zwischen dem Wall und den Höhenzügen haben wir keine weitere Spur von ihnen gefunden, und keine Spur führte nach dieser oder jener Seite vom Wege ab, wenn mich meine Fähigkeit als Fährtenleser nicht ganz verlassen hat.«
»Was glaubt Ihr denn, was aus ihnen geworden ist?«
»Ich weiß es nicht. Sie mögen erschlagen und zusammen mit den Orks verbrannt worden sein; aber Ihr werdet sagen, das könne nicht sein, und ich fürchte es auch nicht. Ich kann mir nur denken, dass sie vor der Schlacht in den Wald geschleppt wurden, vielleicht sogar, ehe Ihr Eure Feinde umzingelt habt. Könnt Ihr beschwören, dass keiner Eurem Netz auf diese Weise entgangen ist?«
»Ich würde schwören, dass kein Ork entkam, nachdem wir sie gesichtethatten«, sagte Éomer. »Wir erreichten den Waldrand vor ihnen, und wenn danach irgendein Lebewesen unseren Ring durchbrach, dann war es kein Ork und besaß sicher irgendeine elbische Macht.«
»Unsere Freunde waren gekleidet wie wir«, sagte Aragorn, »und Ihr seid bei hellem Tageslicht an uns vorübergeritten.«
»Das hatte ich vergessen«, sagte Éomer. »Es ist schwer, einer Sache sicher zu sein bei so vielen Wundern. Die Welt ist sehr seltsam geworden. Elben und Zwerge wandern gemeinsam über unsere alltäglichen Weiden; und Leute sprechen mit der Herrin des Waldes und sind dennoch am Leben; und das Schwert, das geborsten war in den langen Zeitaltern, ehe die Väter unserer Väter in die Mark ritten, kehrt zurück in den Krieg! Wie soll ein Mensch beurteilen, was er in solchen Zeiten tun soll?«
»Wie er immer geurteilt hat«, sagte Aragorn. »Gut und Böse haben sich nicht in jüngster Zeit geändert; und sie sind auch nicht zweierlei bei Elben und Zwergen auf der einen und Menschen auf der anderen Seite. Ein Mann muss sie unterscheiden können, im Goldenen Wald ebenso wie in seinem eigenen Haus.«
»Das ist freilich wahr«, sagte Éomer. »Aber ich zweifle weder an Euch noch an der Tat, die zu tun mein Herz gebietet. Doch steht es mir nicht frei, alles zu tun, was ich möchte. Fremde in unserem Lande nach Belieben wandern zu lassen, ehe der König selbst ihnen die Erlaubnis gibt, ist gegen unser Gesetz, und noch strenger ist die Vorschrift in diesen Tagen der Gefahr. Ich habe Euch gebeten, freiwillig mit mir zu kommen, und Ihr wollt nicht. Ungern beginne ich einen Kampf von hundert gegen drei.«
»Ich glaube nicht, dass Euer Gesetz für eine solche Gelegenheit gemacht wurde«, sagte Aragorn. »Und auch bin ich kein Fremder, denn ich war schon früher in diesem Land, mehr als einmal, und bin mit dem Heer der Rohirrim geritten, wenngleich unter anderem Namen und in anderer Erscheinung. Euch habe ich noch nie gesehen, denn Ihr seid jung, aber ich habe mit Éomund gesprochen, Eurem Vater, und mit Théoden, Thengels Sohn. Niemals in früheren Tagen hätte ein hoher Herr dieses Landes einen Mann gezwungen, eine solche Suche wie die meine aufzugeben. Meine Pflicht zumindest ist klar, nämlich weiterzugehen. Nun kommt, Éomunds Sohn, die
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