Der Herr der Ringe
Sauron gehuldigt.
Damals sagte Isildur zu ihrem König: ›Du sollst der letzte König sein. Undwenn sich der Westen mächtiger erweist als dein Schwarzer Gebieter, dann lege ich diesen Fluch auf dich und dein Volk: niemals Ruhe zu finden, bis dein Eid erfüllt ist. Denn dieser Krieg wird unzählige Jahre dauern, und noch einmal wirst du gerufen werden, ehe das Ende kommt.‹ Und sie flohen vor Isildurs Zorn und wagten nicht, auf Saurons Seite in den Krieg zu ziehen; und sie verbargen sich an geheimen Orten im Gebirge und hatten keinen Umgang mit anderen Menschen, sondern siechten langsam dahin in den kahlen Bergen. Und der Schrecken der Schlaflosen Toten liegt über dem Berg Erech und allen Orten, wo dieses Volk noch weilt. Aber diesen Weg muss ich gehen, da keine Lebenden da sind, um mir zu helfen.«
Er stand auf. »Kommt!«, rief er und zog sein Schwert, und es blitzte in der dämmerigen Halle der Burg. »Auf zum Stein von Erech! Ich suche die Pfade der Toten. Komme mit mir, wer will!«
Legolas und Gimli antworteten nicht, aber sie standen auf und folgten Aragorn, als er die Halle verließ. Auf dem Rasen warteten, still und schweigend, die Waldläufer, verhüllt unter ihren Kapuzen. Legolas und Gimli saßen auf. Aragorn sprang auf Roheryn. Dann hob Halbarad ein großes Horn, und sein Schmettern hallte in Helms Klamm wider; und damit preschten sie davon, und wie ein Donnern ritten sie das Tal hinab, und alle Männer, die noch auf dem Deich oder der Burg zurückgeblieben waren, starrten voll Staunen.
Und während Théoden auf langsamen Pfaden durch die Berge zog, ritt die Graue Schar geschwind über die Ebene, und am Nachmittag des nächsten Tages kamen sie nach Edoras; dort hielten sie nur kurz an, ehe sie den Weg das Tal hinauf einschlugen, und so kamen sie, als die Dunkelheit hereinbrach, nach Dunharg.
Frau Éowyn begrüßte sie und freute sich über ihr Kommen; denn nie hatte sie solche Recken gesehen wie die Dúnedain und Elronds schöne Söhne; aber auf Aragorn ruhten ihre Augen vor allem. Und als die Männer mit ihr beim Abendessen saßen, sprachen sie miteinander, und sie hörte alles, was geschehen war, seit Théoden fortgeritten war, worüber sie bisher nur flüchtige Nachrichten erhalten hatte; und als sie von der Schlacht in Helms Klamm hörte und dem großen Gemetzel unter ihren Feinden und von Théodens und seiner Ritter Angriff, da glänzten ihre Augen.
Doch schließlich sagte sie: »Ihr Herren seid müde und sollt nun zu Bett gehen mit so viel Behaglichkeit, als sich in der Eile schaffen lässt. Doch morgen sollen schönere Unterkünfte für euch gefunden werden.«
Aber Aragorn sagte: »Nein, Herrin, bemüht Euch nicht für uns! Wenn wir hier heute Nacht schlafen und morgen frühstücken dürfen, dann wird das genug sein. Denn ich habe einen höchst dringenden Auftrag, und mit dem ersten Tageslicht müssen wir reiten.«
Sie lächelte ihn an und sagte: »Dann war es sehr freundlich, Herr, dass Ihr so viele Meilen abseits Eures Weges geritten seid, um Éowyn Botschaft zu bringen und mit ihr in ihrer Verbannung zu sprechen.«
»Wahrlich, kein Mann würde einen solchen Umweg als verschwendet ansehen«, sagte Aragorn. »Und dennoch hätte ich nicht hierher kommen können, Herrin, wenn mich nicht der Weg, den ich nehmen muss, nach Dunharg geführt hätte.«
Und sie antwortete wie eine, der nicht gefällt, was gesagt wurde: »Dann, Herr, seid Ihr fehlgegangen; denn aus dem Hargtal führte keine Straße nach Osten oder Süden; und Ihr reitet besser den Weg zurück, den Ihr gekommen seid.«
»Nein, Herrin«, sagte er, »ich bin nicht fehlgegangen; denn ich bin in diesem Lande gewandert, ehe Ihr geboren wurdet, um es zu zieren. Es gibt eine Straße, die aus diesem Tal herausführt, und diese Straße werde ich nehmen. Morgen werde ich auf den Pfaden der Toten reiten.«
Dann starrte sie ihn an wie eine, die von Furcht ergriffen ist, und ihr Gesicht erbleichte, und lange sprach sie nicht mehr, während alle schweigend dasaßen. »Aber, Aragorn«, sagte sie schließlich, »ist es denn Euer Auftrag, den Tod zu suchen? Denn das ist alles, was Ihr auf diesem Wege finden werdet. Sie dulden es nicht, dass die Lebenden dort gehen.«
»Vielleicht werden sie es dulden, dass ich dort gehe«, sagte Aragorn. »Aber zumindest will ich es wagen. Keine andere Straße nützt mir.«
»Aber das ist Wahnsinn«, sagte sie. »Denn hier sind ruhmreiche und heldenhafte Männer, die Ihr nicht in die Schatten, sondern in
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