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Der Herr der Ringe

Der Herr der Ringe

Titel: Der Herr der Ringe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. R. R. Tolkien
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er gekannt hatte, der einst stolz seine Waffen getragen oder die Felder bestellt hatte oder an einem Feiertag aus den grünen Bergtälern in die Stadt geritten war.
    Vergeblich erhoben die Menschen drohend die Fäuste gegen die erbarmungslosen Feinde, die sich vor dem Tor drängten. Flüche beachteten sie nicht oder verstanden die Sprache der Menschen aus dem Westen nicht, und sie brüllten mit rauhen Stimmen wie Tiere oder Aasvögel. Doch bald gab es nur noch wenige in Minas Tirith, die den Mut hatten, den Heeren von Mordor entgegenzutreten und Widerstand zu leisten. Denn noch eine andere Waffe, die schneller wirkte als Hunger, hatte der Herr des Dunklen Turms: Furcht und Verzweiflung.
    Die Nazgûl kamen wieder, und da ihr Dunkler Herrscher nun stärker wurde und seine Kraft zeigte, waren ihre Stimmen, die nur seinen Willen und seine Bosheit ausdrückten, erfüllt von Unheil und Schrecken. Immer kreisten sie über der Stadt, wie Aasgeier, die darauf warteten, sich am Fleisch verurteilter Menschen gütlich zu tun. Außer Sicht- und Schussweite flogen sie, und doch waren sie immer da, und ihre grausigen Stimmen zerrissen die Luft. Immer unerträglicher wurden sie, nicht erträglicher, bei jedem neuen Schrei. Schließlich warfen sich auch die Beherztesten auf den Boden, wenn die verborgene Drohung über sie hinwegzog, und sie dachten nicht mehr an den Krieg, sondern nur daran, sich zu verstecken und wegzukriechen, und an den Tod.
    Während dieses schwarzen Tages lag Faramir in schweren Fieberträumen in dem Gemach des Weißen Turms; im Sterben, sagte irgendjemand, und bald sagten alle auf den Mauern und auf den Straßen »im Sterben«. Und bei ihm saß sein Vater und sagte nichts, sondern schaute ihn an und schenkte der Verteidigung keine Aufmerksamkeit mehr.
    Niemals hatte Pippin so dunkle Stunden erlebt, nicht einmal in den Klauen der Uruk-hai. Es war seine Pflicht, dem Herrn aufzuwarten, und so wartete er, vergessen, wie es schien, als er an der Tür des unbeleuchteten Gemachs stand und seine eigene Angst beherrschte, so gut er konnte. Und als Pippin ihn beobachtete, schien es ihm, dass Denethor vor seinen Augen alterte, als ob irgendetwas in seinem stolzen Willen zerbrochen und sein unbeugsamerSinn überwältigt wäre. Kummer hatte das vielleicht bewirkt, und Reue. Er sah Tränen auf dem einst tränenlosen Gesicht, und das war unerträglicher als Zorn.
    »Weint nicht, Herr«, stammelte er. »Vielleicht wird er wieder gesund. Habt Ihr Gandalf gefragt?«
    »Tröste mich nicht mit Zauberern!«, sagte Denethor. »Die Hoffnung des Narren ist vernichtet. Der Feind hat das Ding gefunden, und jetzt wächst seine Macht. Er erkennt unsere Gedanken, und alles, was wir tun, ist verhängnisvoll.
    Ich schickte meinen Sohn fort, ohne Dank, ohne ihm Glück zu wünschen, hinaus in unnötige Gefahr, und hier liegt er jetzt mit Gift in den Adern. Nein, nein, was immer nun im Krieg geschehen mag, auch mein Geschlecht endet, sogar das Haus der Truchsesse stirbt aus. Unedle Leute werden nun den letzten Rest der Könige der Menschen beherrschen und in den Bergen lauern, bis alle hinausgejagt sind.«
    Männer kamen an die Tür und riefen nach dem Herrn der Stadt. »Nein, ich will nicht hinunterkommen«, sagte er. »Ich muss bei meinem Sohn bleiben. Vielleicht spricht er noch vor dem Ende. Aber das ist nahe. Folgt, wem ihr wollt, sogar dem Grauen Narren, obwohl seine Hoffnung gescheitert ist. Ich bleibe hier.«
    So kam es, dass Gandalf bei der letzten Verteidigung der Stadt von Gondor den Befehl übernahm. Wohin auch immer er kam, überall schöpften die Menschen wieder Mut, und die geflügelten Schatten verschwanden aus ihrer Erinnerung. Unermüdlich eilte er von der Veste zum Tor, von Norden nach Süden an der Mauer entlang; und mit ihm ging der Fürst von Dol Amroth in seiner schimmernden Rüstung. Denn er und seine Ritter hielten sich immer noch wie Herren, in denen das Geschlecht von Númenor unverfälscht war. Männer, die sie sahen, flüsterten: »Vielleicht haben die alten Erzählungen recht; es fließt elbisches Blut in den Adern dieser Leute, denn das Volk von Nimrodel wohnte einst vor langer Zeit in diesem Land.« Und dann begann einer inmitten der Düsternis ein paar Verse des Nimrodel-Liedes zu singen oder anderer Lieder aus dem Tal des Anduin aus entschwundenen Jahren.
    Und dennoch drangen die Schatten, als sie fort waren, wieder auf die Menschen ein, und ihre Herzen wurden kalt, und Gondors Tapferkeit zerfiel zu Asche. Und

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