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Der Herr der Ringe

Der Herr der Ringe

Titel: Der Herr der Ringe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. R. R. Tolkien
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Und Schagrat konnte nicht gleichzeitig kämpfen und seinen Schatz festhalten. Er blieb knurrend stehen und entblößte seine Fangzähne. Dann sprang er nach Art der Orks wieder zur Seite, und als Sam auf ihn losstürzte, benutzte er das schwere Bündel gleichzeitig als Schild und Waffe und stieß es seinem Feind hart ins Gesicht. Sam taumelte, und ehe er sich wieder fangen konnte, schoss Schagrat an ihm vorbei und die Treppe hinunter.
    Sam rannte ihm fluchend nach, aber nicht weit. Ihm fiel Frodo nun wieder ein, und er dachte daran, dass der andere Ork in den Turm zurückgegangen war. Hier war wiederum eine furchtbare Entscheidung zu treffen, und er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Wenn Schagrat entkam, dann würde er Hilfe holen und bald zurückkommen. Aber wenn Sam ihn verfolgte, könnte der andere Ork da oben etwas Entsetzliches anrichten. Undaußerdem könnte es sein, dass er Schagrat verfehlte oder von ihm getötet würde. Er wandte sich rasch um und rannte zurück, die Treppen hinauf. »Wieder falsch gemacht, nehme ich an«, seufzte er. »Aber meine Aufgabe ist es, zuerst bis ganz nach oben zu gehen, was immer nachher geschehen mag.«
    Weit unten sprang Schagrat mit seiner kostbaren Last die Treppe hinunter und hinaus über den Hof und durch das Tor. Wenn Sam ihn hätte sehen können und gewusst hätte, welches Leid seine Flucht bringen würde, dann hätte er vielleicht den Mut verloren. Aber jetzt war sein Sinn auf den letzten Abschnitt seiner Suche gerichtet. Vorsichtig kam er zur Turmtür und trat ein. Sie führte ins Dunkle. Aber bald bemerkten seine starrenden Augen ein trübes Licht zu seiner Rechten. Es kam von einer Öffnung, von der aus eine zweite Treppe, dunkel und schmal, nach oben ging: Sie schien an der Innenseite der runden Außenmauer des Turms hinaufzuführen. Eine Fackel schimmerte irgendwo da oben.
    Leise begann Sam hinaufzusteigen. Er kam zu der tropfenden Fackel; sie war an einer Tür zu seiner Linken befestigt, die einem nach Westen gehenden Fensterschlitz gegenüberlag: einem der roten Augen, die er und Frodo von unten am Ausgang des unterirdischen Ganges gesehen hatten. Rasch ging Sam durch die Tür und eilte weiter zum zweiten Stockwerk und fürchtete, jeden Augenblick von hinten angegriffen zu werden und würgende Finger an seiner Kehle zu spüren. Als Nächstes kam er zu einem Fenster, das nach Osten ging, und zu einer weiteren Fackel über der Tür zu einem Gang in der Mitte des Turms. Die Tür stand offen, der Gang war dunkel bis auf den Schimmer der Fackel und das rote Glühen draußen, das durch den Fensterschlitz hereindrang. Aber hier hörte die Treppe auf und ging nicht weiter. Sam schlich in den Gang. Auf beiden Seiten waren niedrige Türen; beide waren zu und verschlossen. Kein Laut war zu hören.
    »Eine Sackgasse«, murmelte Sam, »und das nach so viel Kletterei! Das kann doch nicht die Spitze des Turms sein. Aber was mache ich jetzt?«
    Er rannte zurück zum unteren Stockwerk und versuchte die Tür. Sie rührte sich nicht. Er rannte wieder hinauf, und der Schweiß begann ihm über das Gesicht zu rinnen. Er spürte, dass selbst Minuten kostbar waren, aber eine nach der anderen verging; und er konnte nichts tun. Er kümmerte sich nicht mehr um Schagrat oder Snaga oder alle anderen Orks, die je gezüchtet worden waren. Er sehnte sich jetzt nur nach seinem Herrn, wollte sein Gesicht sehen, seine Hand berühren.
    Erschöpft und mit dem Gefühl, endgültig gescheitert zu sein, setzte er sich schließlich auf eine Stufe unter dem Gang und legte den Kopf in die Hände. Es war still, entsetzlich still. Die Fackel, die schon ziemlich heruntergebrannt war, als er kam, zischte und ging dann aus; und er hatte das Gefühl, dass ihn die Dunkelheit wie eine Flut überrollte. Und dann, zu seiner eigenen Überraschung, jetzt am vergeblichen Ende seiner langen Reise und inseinem Kummer, ohne sagen zu können, welcher Gedanke in seinem Herzen ihn dazu angeregt hatte, begann Sam leise zu singen.
    Seine Stimme klang dünn und zittrig in dem kalten dunklen Turm: die Stimme eines unglücklichen und müden Hobbits, die kein lauschender Ork irrtümlich für den klaren Gesang eines Herrn der Elben hätte halten können. Er murmelte alte kindische Weisen aus dem Auenland und Bruchstücke von Herrn Bilbos Versen, die ihm in den Sinn kamen, gleichsam wie flüchtige Lichtblicke aus seinem Heimatland. Und dann plötzlich erwuchs eine neue Kraft in ihm, und seine Stimme erschallte laut, während

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