Der Herr der Ringe
schwitzten. »Selbst wenn Schagrat mir jetzt ein Glas Wasser anbieten würde, ich würde ihm die Hand schütteln«, sagte Sam.
»Sage so etwas nicht«, sagte Frodo. »Das macht es nur schlimmer.« Dann streckte er sich aus, benommen und müde, und sprach eine Weile nicht mehr. Schließlich stand er mühsam auf. Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass Sam schlief. »Wach auf, Sam«, sagte er. »Komm weiter. Es ist höchste Zeit, dass wir noch einen Versuch machen.«
Sam rappelte sich auf. »Na, so etwas!«, sagte er. »Ich muss eingenickt sein. Es ist lange her, Herr Frodo, dass ich richtig geschlafen habe, und mir müssen die Augen einfach von selbst zugefallen sein.«
Frodo ging jetzt voran, annähernd in die Richtung, wo er Norden vermutete, zwischen Steinen und Findlingen hindurch, die in Mengen auf dem Grund der großen Schlucht lagen. Aber mit einem Mal blieb er wieder stehen.
»Es nützt nichts, Sam«, sagte er. »Ich kann es nicht aushalten. Dieses Panzerhemd, meine ich. Nicht in meinem jetzigen Zustand. Selbst mein mithril -Panzer kam mir schwer vor, wenn ich müde war. Dieser hier ist viel schwerer. Und was für einen Zweck hat er überhaupt? Mit Kämpfen kommen wir doch nicht ans Ziel.«
»Aber vielleicht werden wir doch ein bisschen kämpfen müssen«, sagte Sam. »Und dann gibt’s Messer und verirrte Pfeile. Auch ist dieser Gollum nicht tot. Der Gedanke gefällt mir nicht, dass zwischen dir und einem Dolchstoß im Dunkeln nichts ist als ein bisschen Leder.«
»Schau, Sam, mein lieber Junge«, sagte Frodo, »ich bin müde und erschöpft und habe gar keine Hoffnung mehr. Aber ich muss weitergehen und versuchen, zu diesem Berg zu kommen, solange ich mich noch fortbewegen kann. Der Ring ist genug. Dieses zusätzliche Gewicht bringt mich um. Es muss weg. Aber halte mich nicht für undankbar. Es ist mir grässlich, wenn ich daran denke, was für eine widerliche Arbeit du bei den Leichen hattest, um es für mich zu finden.«
»Rede nicht davon, Herr Frodo. Du lieber Himmel! Ich würde dich auf dem Rücken tragen, wenn ich könnte. Trenn dich ruhig davon.«
Frodo legte seinen Mantel beiseite, zog den Orkpanzer aus und warf ihn weg. Er zitterte ein wenig. »Was ich wirklich brauche, ist etwas Warmes«, sagte er. »Es ist kalt geworden, oder ich habe mir eine Erkältung geholt.«
»Du kannst meinen Mantel haben, Herr Frodo«, sagte Sam. Er schnallte seinen Rucksack ab und nahm den Elbenmantel heraus. »Wie ist es damit, Herr Frodo?«, fragte er. »Du wickelst diesen Orkfetzen ganz fest um dich und machst den Gürtel nach außen. Dann ziehst du den hier drüber. Er sieht nicht gerade nach Orkkluft aus, aber er hält dich wärmer; und ich möchte annehmen, er wird dich besser vor Schaden bewahren als jede andere Kleidung. Die Herrin hat ihn gemacht.«
Frodo nahm den Mantel und befestigte die Brosche. »Das ist besser«, sagte er. »Ich fühle mich viel leichter. Jetzt kann ich weitergehen. Aber dieses undurchsichtige Dunkel scheint mir ins Herz zu dringen. Als ich im Gefängnis lag, Sam, versuchte ich, mir den Brandywein und Waldende und die Wässer in Erinnerung zu rufen, wie sie durch die Mühle in Hobbingen fließt. Aber jetzt kann ich sie nicht sehen.«
»Na, Herr Frodo, diesmal bist du es, der von Wasser redet!«, sagte Sam. »Wenn nur die Herrin uns sehen oder hören könnte, dann würde ich zu ihr sagen: ›Gütige Herrin, alles, was wir wollen, ist Licht und Wasser: bloß klares Wasser und gewöhnliches Tageslicht, besser als alle Edelsteine, bitte um Entschuldigung.‹ Aber es ist ein weiter Weg nach Lórien.« Sam seufzte und machte eine Handbewegung zum Ephel Dúath, der sich jetzt nur als eine tiefere Schwärze vor dem schwarzen Himmel ahnen ließ.
Sie brachen wieder auf. Noch waren sie nicht weit gegangen, als Frodo anhielt. »Da ist ein Schwarzer Reiter über uns«, sagte er. »Ich spüre ihn. Wir verhalten uns besser eine Weile ruhig.«
Zusammengekauert unter einem großen Findling saßen sie und blickten nach Westen und sprachen eine Zeitlang nicht. Dann stieß Frodo einen Seufzer der Erleichterung aus. »Er ist vorbei«, sagte er. Sie standen auf, und dann starrten sie beide vor Verwunderung. Weit zu ihrer Linken, im Süden, vor einem Himmel, der grau wurde, begannen die dunklen Gipfel und hohen schwarzen Grate der großen Bergkette als sichtbare Formen zu erscheinen. Hinter ihnen wurde es hell. Langsam kroch das Licht nach Norden. Da war ein Kampf hoch oben in den hohen
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