Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herr der Ringe

Der Herr der Ringe

Titel: Der Herr der Ringe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. R. R. Tolkien
Vom Netzwerk:
Wenn du dort hinkommst, was willst du dann machen? Er wird nicht imstande sein, selbst etwas zu tun.«
    Zu seinem Entsetzen merkte Sam, dass er darauf keine Antwort wusste. Er hatte überhaupt keine klare Vorstellung. Frodo hatte ihm nicht viel von seinem Auftrag erzählt, und Sam wusste nur so ungefähr, dass der Ring auf irgendeine Weise ins Feuer geworfen werden sollte. »Die Schicksalsklüfte«, murmelte er, als ihm der alte Name einfiel. »Na, wenn der Herr weiß, wie er sie findet, ich weiß es nicht.«
    »Da siehst du es!«, kam die Antwort. »Es ist alles ganz sinnlos. Er hat es selbst gesagt. Du bist ein Narr, dass du immer noch hoffst und dich plagst. Ihr hättet euch vor zwei Tagen hinlegen und schlafen können, wenn du nicht so hartnäckig gewesen wärst. Aber sterben wirst du sowieso, oder noch Schlimmeres. Du könntest dich ebenso gut gleich hinlegen und aufgeben. Du wirst doch nicht bis zum Gipfel kommen.«
    »Ich werde hinkommen, und wenn ich alles außer meinen Knochen zurücklasse«, sagte Sam. »Und ich werde Herrn Frodo hinauftragen, und wenn mir Rücken und Herz dabei brechen. Also hör auf zu streiten!«
    In ebendiesem Augenblick spürte Sam ein Beben im Boden unter sich, und er hörte oder fühlte ein tiefes, entferntes Rollen wie von Donner, der unter der Erde eingesperrt ist. Dann flackerte kurz eine rote Flamme unter den Wolken auf und erlosch. Auch der Berg schlief unruhig.
    Der letzte Abschnitt ihrer Wanderung zum Orodruin kam, und es war eine größere Qual, als Sam je geglaubt hatte, dass er sie aushalten würde. Er hatte Schmerzen und war so ausgetrocknet, dass er nicht einmal einen Bissen Essen schlucken konnte. Es blieb dunkel, nicht nur wegen des Rauchs von dem Berg: Ein Gewitter schien aufzuziehen, und fern im Südosten leuchteten Blitze unter dem schwarzen Himmel. Am schlimmsten war die dunstgeschwängerte Luft; das Atmen war schmerzhaft und schwierig, und ein Schwindelgefühl überkam sie, sodass sie taumelten und oft hinfielen. Und dennoch gab ihr Wille nicht nach, und sie schleppten sich weiter.
    Der Berg kam immer näher, bis er, wenn sie ihre benommenen Köpfe hoben, ihr ganzes Blickfeld ausfüllte und sich gewaltig vor ihnen erhob: eine riesige Masse aus Asche und Schlacke und verbranntem Gestein, aus der ein steilwandiger Bergkegel bis zu den Wolken emporstieg. Ehe die den ganzen Tag währende Dämmerung endete und es wieder wirkliche Nacht wurde, waren sie bis zu seinem Fuß gekrochen und gestolpert.
    Keuchend warf Frodo sich auf den Boden. Sam setzte sich neben ihn. Zu seiner Überraschung war er müde, aber irgendwie erleichtert, und sein Kopf schien wieder klar zu sein. Sein Gemüt wurde von keinem Wortstreit mehr behelligt. Er kannte alle Einwände der Hoffnungslosigkeit und wollte nicht mehr auf sie hören. Sein Entschluss stand fest, und nur der Tod könnte ihn umstoßen. Es verlangte ihn nicht mehr nach Schlaf, und er brauchte ihn auch nicht, sondern eher Wachsamkeit. Er wusste, dass sich alle Zufälle und Gefahren jetzt an einem Punkt zusammenzogen: Der nächste Tag würde ein Schicksalstag sein, der Tag der letzten Anstrengung oder des Verhängnisses, der letzte Atemzug.
    Aber wann würde er kommen? Die Nacht erschien endlos und zeitlos; Minute um Minute verstrich, und doch verging keine Stunde und kam keine Veränderung. Sam begann sich zu fragen, ob eine zweite Dunkelheit angebrochen sei und es nie wieder Tag werde. Schließlich tastete er nach Frodos Hand. Sie war kalt und zitterte. Sein Herr fror.
    »Ich hätte meine Decke nicht zurücklassen sollen«, murmelte Sam; und er legte sich hin und versuchte, Frodo mit seinen Armen und seinem Leib zu wärmen. Dann schlief er ein, und das düstere Licht des letzten Tages ihrer Reise fand sie Seite an Seite. Der Wind hatte sich am Vortag gelegt, als er vom Westen umsprang, und jetzt kam er von Norden und erhob sich wieder; und langsam drang das Licht der unsichtbaren Sonne in die Schatten ein, in denen die Hobbits lagen.
    »Nun los! Nun auf zum letzten Atemzug!«, sagte Sam, als er mühsam auf die Beine kam. Er beugte sich über Frodo und weckte ihn sanft. Frodo stöhnte; aber mit einer großen Willensanstrengung stand er taumelnd auf; und dann fiel er wieder auf die Knie. Mühsam hob er den Blick zu den dunklen Hängen des Schicksalsberges, der über ihm aufragte, und dann begann er jämmerlich auf den Händen vorwärtszukriechen.
    Sam sah ihn an und weinte in seinem Herzen, aber keine Tränen traten in seine trockenen

Weitere Kostenlose Bücher