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Der Herr der Ringe

Der Herr der Ringe

Titel: Der Herr der Ringe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. R. R. Tolkien
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wenig. Dann sagte sie leise, als ob sie mehr zu sich als zu ihm spräche: »Aber die Heiler wollen, dass ich noch sieben Tage im Bett liege. Und mein Fenster geht nicht nach Osten.« Ihre Stimme war jetzt die eines jungen und traurigen Mädchens.
    Faramir lächelte, obwohl sein Herz von Mitleid erfüllt war. »Euer Fenster geht nicht nach Osten?«, sagte er. »Das kann geändert werden. Darüber werde ich dem Vorsteher einen Befehl erteilen. Wenn Ihr in diesem Haus bleibt in unserer Pflege, Herrin, und Euch ausruht, dann sollt Ihr in diesem Garten in der Sonne wandeln, wenn Ihr mögt; und Ihr sollt nach Osten schauen, wohin all Eure Hoffnungen gegangen sind. Und hier werdet Ihr mich finden, und ich werde auch wandeln und warten und nach Ostenschauen. Es würde meine Sorgen erleichtern, wenn Ihr mit mir reden oder zuweilen mit mir spazierengehen wolltet.«
    Da hob sie den Kopf und blickte ihm wieder in die Augen; und ihr bleiches Gesicht rötete sich. »Wie könnte ich Eure Sorgen erleichtern, Herr?«, fragte sie. »Und ich begehre kein Gespräch mit lebenden Menschen.«
    »Möchtet Ihr eine offene Antwort von mir haben?«, fragte er.
    »Ja, das möchte ich.«
    »Dann, Éowyn von Rohan, sage ich Euch, dass Ihr schön seid. In den Tälern unserer Berge gibt es reizende und leuchtende Blumen und noch reizendere Maiden; doch weder Blume noch Maid habe ich bis jetzt in Gondor gesehen, die so lieblich, und so traurig war wie Ihr. Es mag sein, dass nur noch wenige Tage bleiben, bis sich die Dunkelheit auf unsere Welt senkt, und wenn sie kommt, hoffe ich ihr standhaft ins Auge zu sehen; doch würde es mein Herz erleichtern, wenn ich Euch sehen könnte, solange die Sonne scheint. Denn Ihr und ich, wir beide sind unter die Schwingen des Schattens geraten, und dieselbe Hand zog uns zurück.«
    »Ach, mich nicht, Herr«, sagte sie. »Auf mir liegt der Schatten noch. Erwartet nicht Heilung von mir! Ich bin eine Schildmaid, und meine Hand ist unsanft. Doch danke ich Euch zumindest dafür, dass ich nicht in meiner Kammer zu bleiben brauche. Ich werde draußen wandeln dank der Güte des Truchsessen der Stadt.« Und sie verneigte sich vor ihm und ging zurück zum Haus. Aber lange Zeit blieb Faramir noch allein im Garten, und sein Blick wanderte jetzt eher zum Haus als zu den östlichen Wällen.
    Als er in seine Kammer zurückkam, rief er nach dem Vorsteher und ließ sich alles erzählen, was er ihm von der Herrin von Rohan berichten konnte.
    »Doch ich zweifle nicht, Herr«, sagte der Vorsteher, »dass Ihr von dem Halbling mehr erfahren würdet, der bei uns ist; denn er ritt mit dem König und war bis zuletzt bei der Herrin, heißt es.«
    Und so wurde Merry zu Faramir geschickt, und solange der Tag währte, sprachen sie miteinander, und Faramir erfuhr viel, sogar mehr, als Merry in Worten ausdrückte; und er glaubte, dass er jetzt einiges von dem Kummer und der Unrast von Éowyn von Rohan verstand. Und an dem schönen Abend gingen Faramir und Merry im Garten spazieren, aber sie kam nicht.
    Doch am Morgen, als Faramir aus dem Haus trat, sah er sie auf den Wällen stehen; und sie war ganz in Weiß gekleidet und schimmerte in der Sonne. Und er rief sie, und sie kam herab, und sie gingen über das Gras oder saßen zusammen unter einem grünen Baum, bald schweigend, bald im Gespräch. Und jeden Tag danach machten sie es genauso. Und der Vorsteher, der sie vom Fenster aus sah, war froh in seinem Herzen, denn er war ein Heiler, und seine Sorge war erleichtert; und so schwer die Angst und die Vorahnungjener Tage auf den Herzen der Menschen lastete, so gewiss war es, dass diese beiden unter seinen Pflegebefohlenen gesundeten und täglich kräftiger wurden.
    Und so kam der fünfte Tag, seit Frau Éowyn zum ersten Mal zu Faramir gegangen war; und jetzt standen sie wieder einmal auf den Wällen der Stadt und schauten hinaus. Keine Nachricht war gekommen, und alle Herzen waren verdüstert. Auch das Wetter war nicht länger schön. Es war kalt. Ein Wind war in der Nacht aufgekommen und wehte heftig von Norden, und er nahm noch zu; die Lande sahen grau und trostlos aus.
    Sie waren warm angezogen und hatten dicke Mäntel an, und darüber trug Frau Éowyn einen Umhang in der Farbe einer tiefen Sommernacht, und am Saum und um den Hals war er mit silbernen Sternen besetzt. Faramir hatte nach diesem Gewand geschickt und sie darin eingehüllt; und er fand, dass sie wahrlich schön und königlich aussah, wie sie da an seiner Seite stand. Der Umhang war

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