Der Herr der Ringe
und dort soll er für immer unter den Königen von Gondor liegen, wenn Ihr es wollt. Oder wenn Ihr es wünscht, werden wir nach Rohan kommen und ihn zurückbringen, damit er bei seinem eigenen Volk ruhe.«
Und Éomer antwortete: »Seit dem Tage, da Ihr vor mir aus dem grünen Gras der Höhen aufgetaucht seid, habe ich Euch geliebt, und diese Liebe wird nicht nachlassen. Aber jetzt muss ich für eine Weile in mein eigenes Reich gehen, wo viel wiedergutzumachen und in Ordnung zu bringen ist. Doch was den Gefallenen betrifft, so werden wir, wenn alles vorbereitet ist, zurückkommen und ihn holen; doch lasst ihn hier eine Weile schlafen.«
Und Éowyn sagte zu Faramir: »Nun muss ich in mein eigenes Land zurückgehen und noch einmal einen Blick darauf werfen und meinem Bruder bei seiner Arbeit helfen, aber wenn einer, den ich lange wie einen Vater geliebt habe, zur letzten Ruhe gebettet ist, werde ich wiederkommen.«
So vergingen die frohen Tage; und am 8. Mai machten sich die Reiter von Rohan bereit und ritten fort über die Nordstraße, und mit ihnen gingen Elronds Söhne. Die ganze Stadt war gesäumt mit Menschen, um ihnen Ehre zu erweisen und sie zu rühmen, vom Tor der Stadt bis zu den Mauern des Pelennor. Dann kehrten alle, die weit weg wohnten, froh zurück zu ihren Heimen. Doch in der Stadt arbeiteten viele willige Hände, um sie wieder aufzubauen und zu neuem Leben zu erwecken und alle Narben des Krieges und die Erinnerung an die Dunkelheit zu beseitigen.
Die Hobbits blieben noch in Minas Tirith mit Legolas und Gimli; denn Aragorn war dagegen, dass sich die Gemeinschaft schon auflöste. »Einmal müssen alle derartigen Dinge enden«, sagte er, »aber ich hätte gern, dass ihr noch eine kleine Weile wartet: Denn das Ende der Taten, an denen ihr beteiligt wart, ist noch nicht gekommen. Ein Tag nähert sich, auf den ich all die Jahre meines Mannesalters gewartet habe, und wenn er kommt, möchte ich meine Freunde an meiner Seite haben.« Aber mehr über den Tag wollte er nicht sagen.
In jenen Tagen wohnten die Gefährten des Rings zusammen mit Gandalf in einem schönen Haus, und sie gingen hierhin und dorthin, wie es ihnen beliebte. Und Frodo sagte zu Gandalf: »Weißt du, was für ein Tag das ist, von dem Aragorn spricht? Denn wir sind hier glücklich, und ich habe nicht den Wunsch wegzugehen; aber die Zeit verrinnt, und Bilbo wartet; und das Auenland ist meine Heimat.«
»Was Bilbo betrifft«, sagte Gandalf, »so wartet er auf denselben Tag, und er weiß, was dich zurückhält. Und was das Vergehen der Zeit betrifft, so haben wir jetzt erst Mai, und es ist noch nicht Hochsommer; und obwohl alle Dinge verändert erscheinen mögen, als ob ein Zeitalter der Welt vergangen sei, so ist es für die Bäume und das Gras doch weniger als ein Jahr, seit du aufbrachst.«
»Pippin«, sagte Frodo, »hast du nicht gesagt, Gandalf sei weniger zugeknöpft als früher? Da war er wohl ermattet von seinen Plagen, glaube ich. Jetzt erholt er sich.«
Und Gandalf sagte: »Viele Leute möchten im Vorhinein wissen, was auf den Tisch gebracht wird; aber diejenigen, die sich abgemüht haben, um das Festmahl zu bereiten, wahren ihr Geheimnis gern; denn Staunen macht die Lobesworte lauter. Und Aragorn selbst wartet auf ein Zeichen.«
Dann kam ein Tag, an dem Gandalf nicht zu finden war, und die Gefährten fragten sich, was vor sich gehe. Aber Gandalf verließ die Stadt bei Nacht mit Aragorn, und er brachte ihn auf den südlichen Fuß des Bergs Mindolluin; und dort fanden sie einen Pfad, der in längst vergangenen Zeiten angelegt worden war und den nur wenige jetzt zu betreten wagten; denn er führte hinauf auf den Berg zu einer hochgelegenen Weihestätte, wo nur die Könige hinzugehen pflegten. Und sie stiegen auf steilen Wegen empor, bis sie zu einem Feld kamen, hoch oben unterhalb des Schnees, der die hohen Gipfel bedeckte, und von dem Feld aus sah man hinweg über den Felsen, der sich hinter der Stadt erhob. Und als sie dort standen, überblickten sie die Lande,denn der Morgen war gekommen; und sie sahen die Türme der Stadt tief unter ihnen wie weiße Pinsel, in Sonnenlicht getaucht, und das ganze Tal des Anduin war wie ein Garten, und das Schattengebirge war in goldenen Nebel gehüllt. Auf der einen Seite reichte die Sicht bis zu dem grauen Emyn Muil, und das Glitzern des Rauros war wie ein Stern, der fern funkelt; und auf der anderen Seite sahen sie den Fluss wie ein sich bis Pelargir erstreckendes Band, und dahinter war ein
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