Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herr der Ringe

Der Herr der Ringe

Titel: Der Herr der Ringe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. R. R. Tolkien
Vom Netzwerk:
überschatteten. Diesen Pfad ritten sie hinauf. Es ging immer noch leicht bergan, aber sie kamen jetzt viel rascher voran und leichteren Herzens; denn es schien ihnen, als habe der Wald nachgegeben und wolle sie jetzt doch ungehindert durchlassen.
    Aber nach einer Weile wurde es heiß und stickig. Die Bäume rückten von beiden Seiten wieder dicht heran, und sie konnten nicht mehr weit vorausschauen. Stärker denn je empfanden sie jetzt die Feindseligkeit des Waldes, die sie bedrückte. So still war es, dass die Tritte ihrer Ponys, das Rascheln toter Blätter und das gelegentliche Stolpern über verborgene Wurzeln in ihren Ohren zu dröhnen schien. Frodo versuchte, ein Lied zu singen, um ihnen Mut zu machen, aber seine Stimme erstarb, und er konnte nur noch murmeln.
    O Wandrer unterm Schattenjoch ,
    Verzweifle nicht, wenn auch der Wald
    Noch finster steht, er endet doch
    Und auch die Sonne siehst du bald
    Im Aufgang und im Untergang,
    Anbruch und Tages Abgesang,
    Denn alle Wälder lichten sich …
    Lichten sich  … Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, da versagte ihm die Stimme. Die Luft war schwer, und Wörter zu formen machte müde. Gerade hinter ihnen fiel ein großer Ast von einem alten, überhängenden Baum krachend auf den Pfad. Die Bäume schienen auf sie einzudringen.
    »Sie mögen all das über Enden und Sich-Lichten nicht«, sagte Merry. »Ich würde jetzt lieber nicht mehr singen. Warte, bis wir an den Waldrand kommen, und dann drehen wir uns um und bringen ihnen ein Ständchen!«
    Es klang fröhlich, wie er das sagte, und wenn er Angst hatte, dann zeigte er es jedenfalls nicht. Die anderen antworteten nicht. Sie waren bedrückt. Frodo war das Herz schwer, und er bedauerte jetzt bei jedem weiteren Schritt, dass er je daran gedacht hatte, die Drohung der Bäume herauszufordern. Er war sogar drauf und dran, anzuhalten und vorzuschlagen, dass sie umkehren sollten (wenn das überhaupt noch möglich war), als die Dinge eine neue Wendung nahmen. Der Pfad stieg nicht mehr, sondern wurde eine Weile fast eben. Die dunklen Bäume rückten beiseite, und vor sich konnten die Hobbits den Pfad sehen, der fast geradlinig verlief. In einiger Entfernung von ihnen lag ein grüner Berggipfel, der baumlos war und wie ein kahler Kopf aus dem umgebenden Wald herausragte. Der Pfad schien direkt hinaufzuführen.
    Sie eilten wieder voran, angefeuert von dem Gedanken, für eine Weile über das Dach des Waldes hinauszugelangen. Der Pfad fiel ab, begann dann wieder zu steigen und führte sie schließlich zum Fuß des steilen Hanges. Dort verließ er die Bäume und verlor sich im Gras. Der Wald stand rings um den Berg wie dichtes Haar um einen glatt rasierten Schädel.
    Die Hobbits führten ihre Ponys in Serpentinen hinauf, bis sie den Gipfel erreichten. Dann standen sie dort und schauten sich um. Es war sonnig, aber dunstig, und sie konnten nicht weit sehen. In der Nähe hatte sich der Nebel fast ganz verzogen; nur hier und dort lagerte er noch über Mulden im Walde, und südlich von ihnen stieg aus einem tiefen Einschnitt, der quer durch den Wald verlief, der Nebel wie Dampf oder weiße Rauchwölkchen auf.
    »Dort«, sagte Merry und zeigte mit der Hand darauf, »dort fließt die Weidenwinde. Sie entspringt auf den Höhen, fließt nach Südwesten mitten durch den Wald und mündet unterhalb von Hagsend in den Brandywein. Diesen Weg wollen wir nicht langgehen! Das Weidenwindental soll der absonderlichste Teil vom ganzen Wald sein – sozusagen der Ursprung der ganzen Absonderlichkeit.«
    Die anderen schauten in die Richtung, in die Merry gezeigt hatte, aber sie konnten wenig sehen außer Nebelschleiern über dem feuchten und tief eingeschnittenen Tal. Dahinter entzog sich die südliche Hälfte des Waldes dem Blick.
    Die Sonne wurde jetzt heiß auf der Bergkuppe. Es musste etwa elf Uhr sein; aber der herbstliche Dunst ließ sie auch in anderen Richtungen nicht viel sehen. Im Westen konnten sie weder den Verlauf des Hags noch das Brandyweintal dahinter erkennen. Im Norden, wohin sie am hoffnungsvollsten schauten, wies nichts darauf hin, dass dort die große Oststraße liegen könnte, auf die sie ja stoßen wollten. Sie waren auf einer Insel in einem Meer von Bäumen, und der Horizont war verschleiert.
    Auf der südöstlichen Seite fiel das Gelände sehr steil ab, als ob sich die Abhänge unterhalb der Bäume weit fortsetzten wie Inselküsten, die eigentlich Wände eines aus einem tiefen Gewässer emporsteigenden Berges sind. Sie

Weitere Kostenlose Bücher