Der Herr der Ringe
entfernte Geräusche erschienen nah und klar: Federvieh gackerte in einem Hof, und in einem abgelegenen Haus schloss jemand eine Tür.
Im Schuppen warteten die Ponys auf sie; kräftige kleine Tiere, wie Hobbits sie liebten, nicht schnell, aber gut für ein langes Tagewerk. Sie stiegen auf, und bald ritten sie hinein in den Nebel, der sich nur widerstrebend vor ihnen zu öffnen schien und sich drohend hinter ihnen wieder schloss. Nachdem sie etwa eine Stunde langsam und ohne zu reden geritten waren, tauchte plötzlich der Hag vor ihnen auf. Er war hoch und mit silbernen Spinnweben überzogen.
»Wie wollt ihr da durchkommen?«, fragte Fredegar.
»Folge mir«, sagte Merry, »dann wirst du es sehen.« Er ritt nach links weiter, und bald kamen sie zu einer Stelle, wo sich der Hag nach innen ausbuchtete und am Rand einer Mulde entlanglief. In einiger Entfernung vom Hag war ein Einschnitt mit leichtem Gefälle angelegt worden. Er hatte Ziegelmauern an den Seiten, die senkrecht aufragten, bis sie sich plötzlich nach oben wölbten und einen Tunnel bildeten, der tief unter dem Hag hindurchtauchte und auf der anderen Seite in der Mulde wieder herauskam.
Hier hielt Dick Bolger an. »Auf Wiedersehen, Frodo«, sagte er. »Ich wünschte, du gingst nicht in den Wald. Ich hoffe nur, ihr braucht keine Rettungsexpedition, ehe der Tag vorüber ist. Viel Glück wünsch ich euch – für heute und alle Tage!«
»Wenn mir nichts Schlimmeres bevorsteht als der Alte Wald, dann kann ich mich glücklich preisen«, meinte Frodo. »Sage Gandalf, er soll sich schleunigst zur Oststraße aufmachen; wir werden bald wieder draufstoßen und dann so schnell weitergehen, wie wir können.«
»Auf Wiedersehen!«, riefen sie, ritten in die Senke hinein und verschwanden aus Fredegars Sicht.
Im Tunnel war es dunkel und feucht. An seinem Ende war er durch ein Tor aus dicken Eisenstangen versperrt. Merry stieg ab und schloss das Tor auf, und als sie alle hindurch waren, stieß er es wieder zu. Es fiel klirrend zu, und das Schloss schnappte ein. Das Geräusch war unheimlich.
»So«, sagte Merry. »Ihr habt das Auenland verlassen, seid jetzt draußen und am Rande des Alten Waldes.«
»Sind die Geschichten über ihn wahr?«, fragte Pippin.
»Ich weiß nicht, welche Geschichten du meinst«, antwortete Merry. »Wenn du die alten Schauergeschichten meinst, die Dicks Kindermädchen ihm zu erzählen pflegten, über Unholde und Wölfe und derlei Dinge, dann würde ich sagen: nein. Jedenfalls glaube ich sie nicht. Aber der Wald ist wirklich absonderlich. Alles in ihm ist sehr viel lebendiger; was darin vorgeht, geschieht sozusagen bewusster als im Auenland. Und die Bäume mögen keine Fremden. Sie beobachten dich. Gewöhnlich begnügen sie sich mit dem Beobachten, solange es heller Tag ist, und tun nicht viel. Gelegentlich mag es sein, dass die unfreundlichsten einen Zweig fallen lassen oder eine Wurzel ausstrecken oder mit einer langen Ranke nach dir greifen. Aber des Nachts kann es höchst beängstigend sein, ist mir jedenfalls erzählt worden. Ich bin nur ein- oder zweimal nach Einbruch der Dunkelheit hier gewesen, und dann nur in der Nähe des Hags. Mir kam es vor, als flüsterten die Bäume miteinander, tauschten Nachrichten und Pläne aus in einer unverständlichen Sprache; und die Zweige schwankten hin und her und ächzten ohne Wind. Es heißt, die Bäume bewegten sich wirklich und könnten Fremde einkreisen und umzingeln. Tatsächlich haben sie vor langer Zeit den Hag angegriffen: Sie kamen und pflanzten sich direkt in ihn hinein und lehnten sich über ihn. Aber die Hobbits kamen und fällten Hunderte von Bäumen und machten ein großes Feuer in dem Wald und verbrannten den ganzen Boden auf einem langen Streifen östlich des Hags. Danach gaben die Bäume ihren Angriff auf, aber sie wurden sehr unfreundlich. Es gibt immer noch einen großen kahlen Fleck nicht weit einwärts, wo das Feuer entzündet worden war.«
»Sind es nur die Bäume, die gefährlich sind?«, fragte Pippin.
»Es gibt verschiedene seltsame Wesen, die tief in dem Wald leben, und auf der anderen Seite«, sagte Merry. »Oder wenigstens habe ich das gehört. Aber ich habe nie etwas davon gesehen. Aber irgendetwas macht Pfade. Sobald man hineinkommt, findet man offene Bahnen; doch scheinen sie sich vonZeit zu Zeit auf sonderbare Weise zu verlagern und zu verändern. Nicht weit von diesem Tunnel hier ist oder war vor langer Zeit der Anfang eines ziemlich breiten Pfades, der zur
Weitere Kostenlose Bücher