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Der Herr der Tränen

Der Herr der Tränen

Titel: Der Herr der Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Bowring
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»Wie das? Ihr habt versprochen:
    Nie wieder Bier, bei euren Knochen!«
    »Das muss wohl gestern gewesen sein!
    Doch heute, das siehst du hoffentlich ein,
    ist uns allen restlos klar,
    dass ein Fass einfach zu wenig war!«
    Sie schlug die letzten Noten an, und die Soldaten lachten und rempelten einander an. Es schien, dass diese leichte Unterhaltung sie von den grimmigen Aufgaben des vergangenen Tages abgelenkt hatte. Tarzi selbst war froh, ein Publikum zu haben, denn es machte sie rastlos, nur dazusitzen und darauf zu warten, dass Rostigan zurückkam. Sie hatte gesagt, sie würde die Bardin dieses Heers sein, und wie sich herausstellte, hatte sie es ernst gemeint.
    »Sturm und Hagel, dieses Lied hat mir Appetit auf ein Gläschen gemacht!«, bemerkte Cedris, und ein Bursche neben ihm schlug ihm auf die Schulter.
    »Du wirst bis zum Abendessen warten müssen, und dann wird es auch nur einen Becher geben!«
    Cedris verzog in gespieltem Abscheu das Gesicht. »Besser, du lenkst uns von dieser traurigen Tatsache ab, Bardin – sing uns noch ein Lied!«
    »Noch eins?«, fragte Tarzi und hob die Augenbrauen, während sie mit den Fingern über die Saiten der Laute strich. »Noch eins, sagst du?«
    »Noch eins!«, kam der glückliche Chor von Stimmen.
    »Also schön – wie wäre es mit der alten Dame, die nicht verstehen konnte, warum ihre Kuh keine Milch gab?«
    Gegröl von jenen, die bereits die Antwort kannten, wurde laut, und alle stachelten sie an. Tarzi setzte eine ernste Miene auf, während sie das unsinnige Lied anstimmte, als sei es tatsächlich eine hochdramatische Ballade.
    Als sie mit diesem Lied fertig war, baten die Soldaten um ein weiteres und danach um noch eins. Schließlich hob sie die Hände und protestierte, dass sie nicht mehr singen könne, eine Feststellung, die mit gutmütiger Enttäuschung aufgenommen wurde. In Wahrheit hätte Tarzi noch stundenlang weitermachen können, aber ihr war aufgefallen, dass die Sonne am Himmel immer tiefer gesunken war. Sie hatte damit gerechnet, dass Rostigan vor Einbruch der Dunkelheit zurück sein würde. Sie winkte den Männern zum Abschied zu und versprach, dass sie bald zurückkehren würde – eine ziemlich vage und unverbindliche Behauptung, soweit es sie betraf –, dann schlang sie sich ihre Laute über die Schulter und machte sich auf den Weg.
    Rostigan. Bei dem Gedanken an ihn wurden ihre Füße schneller. Sie kam sich ein wenig töricht vor, und eine Röte zeigte sich auf ihren Wangen. Nicht dass irgendjemand es bemerkt hätte oder wissen könnte, was die Ursache war. Wie lange würde er ihr das antun? Es war nicht so, als gäbe er sich große Mühe – gewiss umschmeichelte er sie nicht oder machte ihr viele Komplimente. Doch so still und stoisch er war, und sosehr er meist seine Gedanken für sich behielt, duldete er keine Bedrohung ihrer Person oder Ehre, und seine Umarmung fühlte sich immer warm und sicher an. Sie hatte früher immer befürchtet, dass solche Momente nur geborgt waren, dass er sich eines Tages umdrehen und sagen würde: »Das ist genug, geh deiner Wege«, aber dieser Tag war nie gekommen, und sie hatte es sich abgewöhnt, sich darüber Sorgen zu machen.
    Sie war auch stolz auf ihn, doppelt stolz heute. Braston selbst und die Priesterin Yalenna hatten ihn aufgesucht, beeindruckt von seinen früheren Taten – und ihn gebeten, sie auf eine gefährliche Mission zu begleiten, um Despirrow zu töten! Sie hatten ihn sogar auf einen Fadengang mitgenommen, was eine seltsame Sache war. Sie hatte nie von Nichtfadenwirkern gehört, die auf diese Weise transportiert worden waren, nahm aber an, dass Wächter mächtig genug waren, um so ziemlich alles zu tun, was
ihnen gefiel. Eine Hälfte von ihr hatte fragen wollen, ob sie sie auch mitnehmen würden – aber als sie noch einmal darüber nachgedacht hatte, hatte sie begriffen, dass dies ein Abenteuer war, das sie lieber nicht miterlebte. Schließlich kannte sie die Geschichten über Despirrow.
    Sie wusste, dass sie Angst um Rostigan haben sollte, und die hatte sie, ein wenig, aber irgendwie schaffte sie es, nicht allzu viel darüber nachzudenken. Ihr Krieger würde zu ihr zurückkehren.
    Das tat er immer.
    »Rostigan!«
    Er hielt inne und wartete darauf, dass Yalenna ihn einholte. Um die Wahrheit zu sagen: Er konnte einen Augenblick der Stille brauchen. Er hustete und spuckte weiteres Wasser aus.
    Sie erreichte ihn und legte ihm eine Hand auf den Arm. Es war ein seltsames Gefühl – ihre Berührung,

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