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Der Herr der Tränen

Der Herr der Tränen

Titel: Der Herr der Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Bowring
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heraufkletterst, werden wir hier sein, um dich zu begrüßen.«
    »Du hast recht«, kam die Antwort. »Ich befinde mich in einer Zwangslage.«
    Rostigan stieß ein wenig erheitertes Schnauben aus.
    »Und wie geht es dir, Yalenna?«, rief Despirrow. »Ich gebe es nicht gern zu, dass ich bewusst versucht habe, eine solche Schönheit zu zerstören. Ich habe nämlich auf dein Gesicht gezielt.«
    Yalenna versuchte aufzuspringen, aber Rostigan hielt sie fest.
    »Lass dich nicht von ihm reizen«, flüsterte er. »Er will dich nur dazu verleiten, den Kopf zu heben.«
    Sie runzelte die Stirn und sah ihn finster an, nickte jedoch. »Nun, wenn er auf Spott aus ist, kann er ihn haben.« Sie hob die Stimme. »Wie viele Bolzen hast du noch, Despirrow? Viele können es nicht mehr sein, wenn du überhaupt noch welche hast.«
    »Nein, nicht viele, das gebe ich zu. Einen, vielleicht zwei. Zwei wären bequem, denkst du nicht auch?«
    Ein Schlurfen in der Dunkelheit wurde laut, und es klang so, als würde er sich in der Höhle bewegen.
    »Gibt es einen Weg hinaus?«, fragte Rostigan.
    »Keinen, den ich sehen kann. Ich werde jedoch noch ein Weilchen länger suchen, falls du mir verzeihst.«
    »Lass dir Zeit.«
    »Ha!«
    Mehr Schlurfen, dann Stille. Da er die Höhle selbst untersucht hatte, wusste Rostigan, dass sie sich nicht bis in den größeren Hügel darunter erstreckte.
    »Erlaube mir, dich etwas zu fragen, Karrak.«
    »Das ist nicht mein Name.«
    »Mach dich nicht lächerlich. Oh, versteh mich nicht falsch – ich weiß die Benutzung eines falschen Namens zu schätzen, wenn Anonymität vorzuziehen ist. Ich habe natürlich auch nicht allen erzählt, dass ich Despirrow bin. Aber unter jenen, die dich kennen, mein Freund, wirst du immer Karrak sein.«
    Rostigans Stirn wurde schwer, als wolle sie ihn dazu zwingen, die Augen zu schließen. »Sprich weiter«, forderte er Despirrow auf. Er musste sich die Argumente anhören, wenn er gegen sie bestehen wollte.
    »Warum«, fuhr Despirrow fort, »hast du dich diesen Gutmenschen angeschlossen? Du warst der Schlimmste von uns allen, und du willst mich glauben lassen, dass du gut geworden bist? Du bist ein Mörder, ein Tyrann, ein Dieb, ein Peiniger …«
    Rostigan knirschte mit den Zähnen, und Yalenna umfasste seinen Arm fester.
    »Lass das nicht zu«, sagte sie. »Hör nicht darauf.«
    »Ich muss.«
    »Erinnerst du dich an diese Nacht in Sortree, als wir die Edelleute wie Marionetten haben tanzen lassen? Bei lebendigem Leib an Ketten mit Widerhaken unter dem Dach aufgehängt? Sie haben geschrien, während sie uns bei Tisch bedienen mussten.«
    Rostigan schloss die Augen, als könne er so die Bilder ausblenden, die von dem tiefen Ort emporstiegen.
    »Und doch hast du dich mit Yalenna und Braston eingelassen? Du hast bestimmt etwas ganz Besonderes im Sinn, oder? Yalenna, vertraust du ihm wirklich? Du hättest ihn lächeln sehen sollen, als er Lord Bayflower zwang, sein eigenes Blut von den Fliesen zu wischen, während die Ketten ihm das Fett von den Armen lösten. Was hat er dir erzählt, um sich euer Vertrauen zu sichern?«
    Rostigan sah sich selbst vor all jenen Jahren, grinsend über das Leid, das er verursachte, das grimmige Glück, das seine Macht ihm geschenkt hatte. Und dann sah er ihr Gesicht, hasserfüllt, als sie mit ihrem feuchten Haar auf dem Bett saß und darauf wartete, dass er kam und sie nahm.
    »Den Herrn der Krähen haben sie dich genannt«, sagte Despirrow jetzt. »Und was sonst noch, frage ich mich? Ach ja – den Herrn der Lügen! Was planst du, Karrak? Was ist deine wahre Absicht?«
    »Er war überzeugender«, ergriff Yalenna das Wort, »als dein verzweifelter Versuch, Zwietracht zu säen. Warum kommst du nicht her und schließt dich uns an, Despirrow, wenn du wirklich glaubst, dass Karrak so unverändert ist? Wir versprechen dir, dir nicht das Herz herauszureißen.«
    »Welche Leidenschaft, Yalenna«, gab Despirrow zurück. »Und auch schön, immer so schön und jung. Wie alt bist du wirklich? Es hat mich immer ein wenig traurig gemacht, dass wir nie unseren Spaß miteinander hatten.«
    »Lieber würde ich mich mit einem Wurm abgeben.«
    Despirrow bellte ein raues Lachen. »Nun, zumindest habe ich dich mit etwas durchdrungen – wie fühlt sich übrigens deine Schulter an? Pocht sie ein wenig?«
    Urplötzlich brach die Höhle zusammen, als die Zeit wieder einsetzte, aber einige Felsen flogen nach oben und zerfielen in kleinere Stücke, sodass Rostigan und Yalenna die

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