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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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verzeichnet. Ihr Stadtvorsteher wird Sie verraten. Fliehen Sie, solange Sie es noch können.

    Ein Freund, der zu ohnmächtig ist, um mehr für Sie zu tun

    Niemand nahm Kenntnis davon, als Nico der Stadt schließlich den Rücken kehrte und auf Albinos Rücken nach Rom ritt. Wie viele Menschen auf seine Warnung reagiert hatten, wusste er nicht, und bald interessierte es ihn auch nicht mehr. Denn nun verstrickte er sich immer weiter in das Netz der Lethargie. Er verlor die Freude an allem, was Menschen für ihr Glück wichtig finden. Ohne seine Freunde wäre er womöglich eingegangen wie ein gefangenes Tier an einem Ort ohne Licht.
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    Davide und seine Frau Salomia wie auch Johan und Lea Mezei hatten ihm abgeraten, die erbeuteten Dokumente den Ermittlungsbehörden zu geben, was Nicos Seelenschmerz anfangs nur vergrößerte. Wozu der monatelange Kampf gegen das Ungetüm Manzini?, hatte er sich gefragt. Warum musste er Laura aufgeben, wenn ihm die Beweisstücke nun doch nichts nützten? Auf dem Tiefpunkt seiner Verzweiflung, hatte Davide wieder einmal Lorenzo Di Marco angerufen.
    Der Benediktinermönch war froh gewesen, Nico äußerlich
    wohlbehalten wiederzusehen, aber dessen seelischer Zustand bereitete ihm Sorge. Sie trafen sich danach noch mehrere Male, manchmal sogar im Vatikan. Lorenzo hatte sein altes Credo wiederholt:
    »›Zur bestimmten Zeit wird ihr Fuß wanken.‹« Danach fügte er in beschwörendem Ton hinzu: »Verwahre das Auftragsbuch deines Vaters, Nico. Und auch die anderen Schriftstücke. Im Moment führt Fürst Tringali Casanova in der Aula IV des Justizpalastes noch seine Schauprozesse auf. Der Gerichtspräsident schnitzt seine Urteile mit dem Beil, und Mussolini führt ihm dabei die Hand. Solange das Recht in diesem Land mit Füßen getreten wird, bringen dir deine Beweise überhaupt nichts. Übe dich in Geduld. Die Willkür wird enden, und dann bricht deine große Stunde an.«
    »Bis dahin bin ich innerlich verdorrt«, hatte Nico daraufhin ge-antwortet, und genauso fühlte er sich jetzt, während er zwischen all den schwitzenden Leibern in der sich schnell verbrauchenden Luft hockte und sich fragte, ob er nicht besser hätte draußen bleiben sollen. Wie eine zornige Antwort aus dem Himmel erklang plötzlich die erste Detonation.
    Die Explosion erfolgte ganz in der Nähe. Das Haus über dem Schulzraum zitterte. Staub rieselte von der gemauerten Decke.
    Schreie hallten durch den Keller. Eine Frau wollte gar nicht mehr aufhören. Mehrere Kinder brüllten. Aber das war erst der Anfang.
    Jetzt hagelten die Bomben förmlich auf das Viertel nieder. Von 265
    nah und fern waren die Einschläge zu hören. Die Erde bebte. Nico glaubte, keine Luft mehr zu bekommen. Er fühlte, wie sein Herz raste. Plötzlich rief eine Frau in seiner Nähe.
    »Wo ist Nina?« Es war eine Mutter, die auf einen Sitzplatz verzichtet hatte. Keines ihrer fünf Kinder war älter als zehn. Wie die Orgelpfeifen hingen sie an ihr und intonierten ein Konzert der Angst. Die schrille Stimme der Frau erhob sich sirenenhaft aus dem Gejammer und Gegreine. »Ich kann meine Tochter nicht sehen. Nina! Wo bist du?«
    Langsam erhob sich Nico. Wie in Zeitlupe arbeitete er sich durch die Menschen zu der Mutter. Mechanisch nahm er die
    Brille ab und steckte sie sich in die äußere Brusttasche seines Jacketts – obwohl die Gläser keinen optischen Schliff hatten, störten sie ihn immer, wenn etwas seine Aufmerksamkeit auf sich zog.
    Er beobachtete einen Moment lang, wie sie ihre weinenden Kinder tröstete, obwohl sie selbst längst am Rande der Verzweiflung war. Dann begann er ruhig zu sprechen.
    »Mein Name ist Nico. Wie sieht denn Ihre Tochter aus?«
    »Sie ist meine zweitjüngste. Erst vier. So groß.« Die Frau zeigte mit der flachen Hand nach unten.
    »Was hat sie an?«
    »Ein kurzärmeliges, dünnes Kleidchen. Rosa-weiß kariert.«
    »Vermutlich dunkelhaarig wie Sie, Signora …«
    »Grazia. Ja, Ninas Lockenschopf ist kohlrabenschwarz.«
    »Sie hat kurz-lange Haare«, sagte ein höchstens dreijähriger Junge.
    Nico sah Grazia fragend an.
    »Benito meint, halblang. Ungefähr so.« Sie legte die Außenkante ihrer Hand an den eigenen Nacken.
    »Wo haben Sie die Kleine zuletzt gesehen?«

»Draußen auf der Straße, als wir mit den anderen in das Haus drängten.«
    Nico nickte. »Ich gehe sie suchen.«
    »Hören Sie nicht, was da draußen los ist? Sie werden zerfetzt werden«, grunzte ein bebrillter Mann um die fünfzig.
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    Dann bin ich

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