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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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ringsum verbergen sich noch viel mehr von unseren Leuten. Also seien Sie vernünftig, dann können wir uns ein unnötiges Blutver-gießen ersparen.«
    »Nein, Sie ergeben sich. Sie haben keine Chance«, knurrte Hansen.
    »Netter Versuch«, erwiderte der Partisan und streckte den Arm in die Höhe. Ringsum klapperten Gewehre.
    »Ruhig Blut, junger Mann.« Der Brigadeführer hob die Hände.
    Sein Fahrer folgte dem Beispiel.
    »Don Massimiliano?«
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    Manzinis Augenbrauen rutschten zusammen. »Was willst du,
    Sacchi?«
    »Dich, Manzini. Steig sofort vom Wagen.«
    Hansen nahm den Hut vom Kopf und wischte sich mit dem
    Ärmel der Uniformjacke über die Stirn. Die Bewegung wirkte wie ein Reflex. Aber sie löste ein Chaos aus.
    Unvermittelt hallten Gewehrsalven über die Sumpflandschaft.
    Die Schüsse kamen weder von den Partisanen noch aus den
    Mannschaftswagen.

    Instinktiv warf sich Nico auf den Boden, als die ersten Schüsse fielen. Im Stillen verfluchte er den Tag, an dem er sich von Bruno zu dieser Aktion hatte überreden lassen.
    Die Verwirrung war komplett. Überall gingen die Freiheits-kämpfer in Deckung. Wohl wissend, dass sie den gut ausgebildeten Soldaten wenig entgegensetzen konnten – ihre Spezialität war die Sabotage, nicht das offene Gefecht –, hatten sie auf die Überraschung und die Wirkung der Drohgebärde gesetzt. Es dauerte eine ziemlich lange Schrecksekunde, bis sich Nico und vor allem auch Bruno ihr Scheitern eingestanden.
    »Rückzug! Das ist ein Hinterhalt«, rief der Widerstandskämpfer.
    »Bleibt in Deckung!«, schrie Nico. »Sie schießen nur in die Luft, um ihre eigenen Leute nicht zu treffen.«
    Niemand beachtete ihn. Die Partisanen brachen verstört aus dem schützenden Dickicht hervor. Fast gleichzeitig fielen drei Schüsse. Der erste Freiheitskämpfer fiel getroffen in eine Wasserlache. Wieder knallte es. Zwei Kugeln durchlöcherten Hals und Kopf eines nicht einmal zwanzig Jahre alten Mädchens. Es war auf der Stelle tot. Die Scharfschützen der Waffen-SS gingen wie kaltblütige Jäger vor. Mit den ersten Gewehrsalven hatten Sie ihr »Wild« nur aufgescheucht. Aber jetzt nahmen sie jedes Opfer ruhig ins Visier, warteten, bis sie freie Schusslinie hatten, und eröffneten das Kreuzfeuer. Die im offenen Gefecht unerfahrenen Partisanen hatten keine Chance. Sie starben wie die Fliegen.
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    Zur gleichen Zeit spitzte sich die Lage bei der Wagenkolonne dramatisch zu. Mehrere Salven durchlöcherten von innen her die Planen der Transporter. Dann sprangen die Soldaten heraus und schossen ziellos ins Dickicht. Die Gegenwehr der Partisanen war gering.
    Während Hansen einem in der Nähe stehenden Major noch
    Befehle zurief, zog er seine Pistole aus dem Gürtelholster und zielte auf Bruno.
    »Nein!«, schrie Nico.
    Der Schlagbolzen klemmte.
    »Das kenne ich!«, schnaubte Manzini. Er saß, die Hände im Schoß, geduckt im offenen Wagen.
    Nico rollte sich in Richtung der Büsche, und auch Bruno zog sich rasch zurück, aber bevor sie sich im Blattwerk unsichtbar machen konnten, flog unerwartet eine Handgranate auf sie zu.
    Der Werfer war Massimiliano Manzini. Als Nico das diabolische Grinsen seines Gegners sah, wurde ihm bewusst, wer diesen Hinterhalt zum Hinterhalt ausgeheckt hatte. Manzini war der aus-gefuchsteste Gauner von Nettunia. Ihn zu unterschätzen konnte leicht tödlich enden.
    Die Handgranate landete genau vor Brunos Füßen.
    Der Partisan erstarrte.
    Nico drückte sich mit Armen und Beinen vom Boden hoch,
    machte einen Satz nach vorn und landete genau auf dem scharfen Sprengkörper. Er hörte Bruno seinen Namen rufen. Zahlreiche Augenpaare richteten sich auf den im feuchten Sumpfgras liegenden Körper, der jeden Moment zerrissen werden musste.
    Aber nichts dergleichen geschah.
    Plötzlich herrschte Stille auf dem Schlachtfeld. Sogar die Scharfschützen in ihren Verstecken ließen die Waffen schweigen, vielleicht weil ihre Kameraden in der Fahrzeugkolonne so jäh zur Ruhe gekommen waren oder einfach weil sich ihnen keine neuen Ziele boten. Aus der Ferne erklang das Hämmern eines Graukopf-spechtes.
    Nico erhob sich. Sein Rücken war den Männern im Kübelwa-
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    gen zugewandt. Langsam drehte er sich um. Die Granate lag auf seiner offenen Handfläche. Er sah auf sie nieder, dann zu Manzini, holte aus und warf die Bombe.
    Sekunden später explodierte sie in einem verheerenden Feu-erball.

    Der Partisanenführer warf die Hände hoch. »Warum hast du den Fettwanst und seinen General nicht

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