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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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an.
    Nach oben!
    »Nein!«, jammerte Nico. »Tu mir das nicht an.«
    Er drehte die Handflächen nach außen, legte sie an die Alu-miniumverkleidung und schloss die Augen. Ich habe dich einmal aus dem kalten Schlaf des Harrens wachgerüttelt, sprach er in Gedanken die Worte, die keine Schrift der Welt festzuhalten vermag.
    jetzt zahle die Schuld zurück!
    Wieder stockte der Aufzug.
    Bitte!
    Der Lift sank erneut in die Tiefe.
    Über sich hörte Nico einmal mehr das aufgeregte Rufen. Hatte man die Verweigerung des Hebewerkes bereits bemerkt, oder wunderte man sich nur, warum die Kabine immer noch nicht
    oben angelangt war?
    Endlich erreichte der Fahrstuhl das unterste Geschoss.
    Nico klappte die zwei Türflügel auf und schälte sich aus dem Aufzug. Als er sich zur Küche hin umdrehte, stand Viola vor ihm, das braunhaarige, dünne Küchenmädchen, von dem Uberto einmal behauptet hatte, es sei so hässlich, dass sein Anblick frisch gemolkene Milch stocken ließe. Viola trug ein schwarzes Kleid, eine weiße Haube und Schürze sowie einen überraschten Ausdruck auf dem Gesicht. Ihre Augen und ihr Mund waren weit aufgerissen.
    Nico lächelte sie an. »Don Massimiliano möchte aus dem Keller noch eine Flasche Trebbiano di Nettuno. Könntest du … Ach, ich hole sie am besten gleich selbst.«
    Er lief zur Tür und streckte den Kopf hinaus. Zwischen ihm und der Kellertreppe gab es nichts als Leere. Dank Manzinis Befehl waren alle Einheiten nach oben verlegt worden. Nico drehte sich noch einmal zu Viola um, die ihn immer noch wie ein Gespenst anstarrte, legte sich den Zeigefinger auf die Lippen und entschwand nach draußen.

    413
    Die Hand klatschte in den Stiernacken. Ein leiser Fluch. Gleich darauf schickte Massimiliano Manzini ein stilles Stoßgebet zum Himmel. O Herr, lass den erschlagenen Moskito nicht mit Malaria verseucht sein! Sein schwerer, von einem hellen Strohhut beschirmter Kopf schaukelte auf dem Rücksitz des offenen Kü-
    belwagens hin und her. Ihm war schlecht, seine Laune tendierte gegen null, aber als Initiator dieser Aktion wollte er sich keine Blöße geben. Er nötigte sich ein Lächeln ab und knurrte, ganz den harten Tropenkämpfer mimend, zu dem vor ihm sitzenden Kommandanten: »So etwas haben Sie bei Ihrem letzten Kommando in Lettland wohl nicht erlebt, Herr Generalmajor?«
    Der Konvoi bewegte sich jetzt schon seit einer Stunde durch das Sumpfgebiet. Er wurde von je einem Panzerspähwagen angeführt und abgeschlossen, bestand weiterhin aus fünf voll besetzten Mannschaftstransportern mit schmutzig grünen Schutzplanen und einem weiteren Kübelwagen, auf dem ein schweres Maschinengewehr montiert war. Kein wilder Partisanenhaufen konnte der geballten Feuerkraft dieser SS-Einheit etwas entgegensetzen.
    Die Männer auf den Ladeflächen stammten aus der Milizia-Armata -Polizei und kamen direkt aus einem Ausbildungslager in Vercelli. Unter der Führung von SS-Brigadeführer Peter Hansen wurden sie derzeit zur »Italienischen Nr. 1« geschmiedet, der »29.
    Waffen-Grenadier-Division der SS«. In wenigen Tagen sollte die neue Sturmbrigade offiziell aus der Taufe gehoben werden.
    Der Kommandant drehte den Kopf nach hinten. Er war Ende
    vierzig und hatte ein durchaus freundliches Gesicht, das ihn eher wie einen Bankangestellten erscheinen ließ denn als den fronterfahrenen Veteranen des letzten großen Krieges, der er tatsächlich war. Hansen konnte Manzini nicht ausstehen, aber als er vom Reichsführer SS Heinrich Himmler um diesen Gefallen gebeten worden war, hatte er nicht Nein sagen können. Zur eigenen Besänftigung betrachtete er die Operation als willkommene
    »Generalprobe« für seine italienische Freiwilligenbrigade. »Ich bin in Chile geboren«, erklärte er. »Da gibt es auch unwirtliche Gegenden. Für uns beide hoffe ich, Signor Manzini, dass sich 414
    dieser Ausflug lohnt und die Partisanen sich noch im Circeo aufhalten.« Der Circeo-Nationalpark lag am südlichen Ende der Pontinischen Sümpfe, in jenem Teil also, der nie den Segen von Mussolinis Austrocknungskampagne in den Jahren 1928 bis 1935
    genossen hatte.
    »Sie kennen die Nachricht, die ich vor vier Tagen dem Einbrecher abgenommen habe.«
    »Für mich sieht das nach wie vor wie eine Falle aus.«
    »Der Bursche hat auf mich nicht den Eindruck gemacht, als hätte er sich gerne von mir erwischen lassen. Aber selbst wenn –
    wir sind gewappnet.«
    »Vergessen Sie nicht den bösen Streich, den die Partisanen sich mit Ihrem Korporal erlaubt

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