Der Herr der Unruhe
auf dem Präsentierteller, und ungemütlich ist es auch.«
Sie lehnte den Kopf zurück und suchte in der Dunkelheit seine Augen. »Findest du?«
Er räusperte sich. »Lass uns lieber in die Festung gehen.«
Laura leckte an ihrem Finger und zog damit eine helle
Schneise über seine Wange. »Vielleicht hast du Recht. Komm!
Zeig mir dein Zuhause.«
Sie ergriff seine Hand und zog ihn über den Steg, Nico nötigte das Schloss ein weiteres Mal zum Nachgeben, und sie betraten die Festungsanlage. Er hauste im obersten Stock des viereckigen 432
Hauptturmes, weil die Umgebung von dort am besten zu überwachen war. Außerdem konnte er die winzigen Fenster des Gemachs leicht verdunkeln.
Staunend ließ sich Laura von ihm durch die Anlage führen.
Auf den letzten Stufen des Turmes fragte sie endlich: »Eins musst du mir erklären: Gehört der Torre nicht dem Heiligen Stuhl?
Wieso kannst du hier ein und aus gehen wie …« Sie zuckte die Achseln.
»… der Heilige Vater höchstpersönlich?« Nico lachte. Er öffnete die Tür zur Turmkammer und winkte Laura hinein. »Na ja, der Papst hat einen sehr netten Liegenschaftsbeamten. Der gab mir die Erlaubnis, für eine gewisse Zeit hier unterzuschlüpfen …
Moment mal! Woher hast du überhaupt gewusst, wo du mich
finden kannst?«
Laura schlug die Augen nieder. »Ein Freund hat es mir verraten.«
Nico runzelte die Stirn. Plötzlich schrillten in seinem Kopf die Alarmglocken. »Doch nicht Bruno!«
Sie nickte. »Du brauchst nicht eifersüchtig zu sein. Ich …«
»Darum geht es gar nicht, Laura«, unterbrach er sie aufgeregt. »Bruno wird von deinem Vater, der Banda Koch, der SS
und der Wehrmacht gejagt. Wie kommst du dazu, mit ihm zu
sprechen?«
»Er hat mich besucht.«
»Wann?«
Sie zögerte.
»Wann, Laura?«
»Oft. Ich habe dir doch erzählt, wie er mir früher immer nachgestellt hat.«
»Als sein Vater das Mosaik in eurem Haus gemacht hat.«
»Ja. Aber auch danach. Wenn ich in den Ferien nach Hause
kam, kreuzte nicht selten Bruno auf. Wahrscheinlich war er verknallt in mich, aber ich hab mir nichts dabei gedacht.«
In Nicos Kopf wirbelten Erinnerungsfetzen wie Ascheflocken umeinander. »Hast du ihn ermutigt?«
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»Nein. Manchmal – lange bevor du nach Nettuno zurückge-
kehrt bist – haben wir miteinander geredet. Zwei oder dreimal hat er mir Sehenswürdigkeiten in der Gegend gezeigt. Aber das war auch schon alles.«
»Du unterschätzt deine Wirkung auf das männliche Ge-
schlecht, Laura. Mein Herz hast du bei unserer ersten Begegnung in Brand gesteckt.«
Sie wollte sich wieder an ihn schmiegen, aber Nico nahm sie bei den Unterarmen und hielt sie auf Distanz. Ihr tief in die Augen blickend, sagte er in beschwörendem Ton: »Laura. Das ist jetzt sehr wichtig. Ich muss die ganze Wahrheit erfahren. Wann hast du Bruno das letzte Mal gesehen?«
Sie blinzelte nervös. »Warte … Er hat mich lange in Ruhe
gelassen. Es fing wieder an, nachdem mein Vater von den Carabinieri verhaftet worden war.«
Nico legte den Kopf in den Nacken und stöhnte bei geschlossenen Augen. »Kurz vorher hatte Bruno mich in einer Bar gefunden. Ich erzählte ihm von der Razzia. Du hattest mir zuvor gesagt, dass ich alles zerstört hätte. Ich habe das auf unsere Liebe bezogen. Bruno gab mir noch Ratschläge, ich solle beim nächsten Mal etwas mehr Gefühl zeigen, und ich sagte ihm, es würde kein nächstes Mal geben. Da hat er mich ganz merkwürdig angesehen. Jetzt ist mir klar warum. Er wusste, dass er ab sofort freie Bahn hatte.«
»Ich war verzweifelt, Nico. Hätte ich gewusst, wie sehr ich dich mit meinen Worten verletze, dann …«
»Dich trifft keine Schuld. Es war unfair von mir, dir die Entscheidung zwischen deinem Vater und mir aufzuzwingen. Aber du hast meine Frage immer noch nicht eindeutig beantwortet, Laura. Es ist wichtig! Wann hat sich Bruno das letzte Mal bei dir gemeldet?«
»Telefonisch oder persönlich?«
»Wie meinst du das?«
»Er hat – lass mich nachdenken – ja, letzte Woche Montag angerufen. Aber nicht wegen mir. Er wollte meinen Vater sprechen.
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Das war an dem Abend, bevor der Einbrecher kam. Das warst du, oder?«
Nico glaubte zu Eis erstarren zu müssen. Bruno! Er musste Manzini gewarnt haben, nachdem sie bei der Übergabe des Spio-nagematerials von Doktor Sägemüller aneinander geraten waren.
Nico hatte das Gefühl, sein Herz würde von einer kalten Faust zusammengepresst. Mit glasigem Blick nickte er. »Und dann ist er persönlich bei
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