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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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er sich zurück.

    Es war schon nach Mitternacht, als Nico beim Torre Astura eintraf. Albino schlummerte wie gewohnt unter Zweigen im
    benachbarten Wäldchen. Das regnerische Wetter der letzten Tage hatte sich beruhigt. Der Mond ließ sich in den größer werdenden Wolkenlücken zwar immer noch nicht sehen, aber die Sterne funkelten, als wollten sie durch ihre Pracht die Menschen tief unter ihnen zu ehrfürchtigem Innehalten bewegen. Doch der Krieg ging weiter. Sein ferner Donner hallte selbst jetzt aus den Albaner Bergen herab.
    Mit gewohnter Vorsicht näherte sich Nico dem gemauerten
    Steg, der die Festung mit der sich ins Meer reckenden Landzunge verband. Nirgendwo regte sich etwas. Nach dem Spektakel heute Nacht würde es wohl das Beste sein, sich ein neues Quartier zu suchen. Er wollte nur noch die zwei, drei Habseligkeiten zusam-menpacken, die er im Torre versteckt hatte. Vor allem die Göttliche Komödie durfte er nicht hier lassen.
    »›Die Zeit geht hin, und der Mensch gewahrt es nicht‹«, flüsterte er, während er sich leise auf den Steg zubewegte. Er war blind gewesen, hatte die tiefere Bedeutung dieser Worte nicht gesehen, obwohl sie lange genug vor ihm lag.
    Als er das Kirchlein auf der Halbinsel passierte, ließ ihn eine Bewegung zu seiner Rechten zusammenschrecken. Sofort huschte er hinter einen Strauch, der sich an das alte Gemäuer der Annun-ziata schmiegte.
    »Nico?«
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    Die leise Stimme rief ihm einen Schauer über den Rücken.
    Das… das glaube ich nicht.
    »Wer ist da?«, wiederholte die Stimme. Obwohl sie sich den Anschein von Festigkeit gab, war ihr die Unsicherheit anzuhö-
    ren.
    Mit weichen Knien schritt Nico um die Ecke des kleinen Gotteshauses und konnte immer noch nicht fassen, dass mit einem Mal Laura Manzini vor ihm stand.
    »Was um alles in der Welt …?« Ihm fehlten die Worte.
    Laura trug ein dunkles Kleid. Nur ihr schlanker Hals und ihr Antlitz schimmerten fahl im Sternenlicht. »Was hast du mit deinem Gesicht gemacht?«
    »Meinst du den Schnurrbart oder die Rußschicht? Das alles ist eine längere Geschichte.«
    Zögernd näherte sie sich ihm. »Ich muss dich um Verzeihung bitten, Nico.«
    »Du …?«
    »Ich habe die Augen vor der Wahrheit verschlossen. Du hattest Recht, mein Vater ist ein … skrupelloser Verbrecher und …«
    »Pscht!« Nico griff rasch nach ihren Händen. Sie waren kalt und zitterten.
    Laura begann zu schluchzen und riss sich von ihm los, aber nicht um vor ihm zurückzuweichen, sondern um sich an ihn zu drücken. »Halt mich fest, Nico.«
    Ungeschickt legte er seine Arme um sie. War das noch dieselbe Person, die ihn aus dem Haus gejagt hatte? Er glaubte ihren hämmernden Herzschlag zu spüren. »Was ist passiert?«
    »Mein Vater hat ganze Familien an die Deutschen verraten, um ihr Vermögen einzustreichen, und seine Lebensuhr …« Sie schluchzte.
    »Was ist mit ihr?«
    »Er hat sie nie bezahlt.«
    »Woher weißt du das?«
    »Uberto hat es mir erzählt.«
    »Ah! Wie kommt er dazu, seinen Herrn zu verraten?«
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    »Ich habe ihn zur Rede gestellt. Damals, als du … als ich dich …
    Nachdem du fortgegangen warst, da wurde mir erst bewusst, wie sehr ich dich liebe, Nico. Ich hatte nur nicht wahrhaben wollen, was du mit dem Telefon angestellt hast, und noch weniger, was ich dabei gehört habe. Gequält habe ich mich – ich weiß nicht mehr wie lange. Aber dann überraschte ich eines Abends Uberto in der Küche und hörte, wie er sich bei Viola über die Leute beschwerte, die rationierte Lebensmittel für ein Vielfaches des festgesetzten Preises auf dem Schwarzmarkt verhökern. ›Und der größte Kriegsgewinnler ist Don Massimiliano‹, schimpfte er. Da habe ich ihn zur Seite genommen und ihm ein paar sehr direkte Fragen gestellt.«
    »Seine Antworten waren für dich bestimmt sehr schmerzlich«, riet Nico.
    Sie nickte und schmiegte sich wieder an ihn. »Es ist so schön, dich zu spüren! Bei dir fühle ich mich geborgen, Nico. Können wir nicht hier so stehen bleiben, bis dieser unsinnige Krieg vor-
    über ist?«
    Lauras Schutzbedürftigkeit weckte in ihm Gefühle, für die er sich schämte. Er wollte sie die Erregung nicht spüren lassen, die ihn wie flüssige Lava durchströmte. Obwohl die Reaktionen seines Körpers sich seiner Kontrolle entzogen, fühlte er sich wie ein egoistischer Verräter. Unbeholfen tätschelte er ihren Rücken und antwortete, bemüht um einen aufmunternden Ton: »Vielleicht dauert das ja noch zwei, drei Tage, Hier stehen wir wie

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