Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)
ersten Mal begegnet war; die sie benutzt hatte, um ihr Monster an sich zu binden; und die ich ihr vorhin, als sie mir das Leben gerettet hatte, abgenommen hatte. »Du bist überhaupt nicht wie ich.«
Ihre Hände flogen zu ihrem Hals. »Wie … wie hast du …«
»Ich werde Zeisig jetzt mitnehmen«, sagte ich, indem ich ihn vom Stuhl hob und ihn mir über die Schulter warf. Die Halskette schien sich in meiner Hand zu winden und strahlte eine unheimliche Wärme aus.
»Es geht ihm gut, er ist nicht infiziert«, stammelte sie, während sie mit weit aufgerissenen Rehaugen die Kette anstarrte. »Gib sie mir wieder! Du musst sie mir wiedergeben! Du verstehst nicht, was das ist, du musst …«
Ich zerriss den Talisman. »Zu viel Blut ist vergossen worden, Celia, zu viel Blut.«
Sie wurde totenbleich. Ein leises Pfeifen erfüllte den Raum, eine Windbö stieß die Fensterläden auf. Wir starrten einander an. Sie sah aus, als wollte sie etwas sagen, unterließ es aber.
Der Schwurhalter sei bedankt für die Wohltaten, die er uns erweist.
Als ich sein Kommen spürte, trat ich ins Treppenhaus hinaus. Mein Magen krampfte sich vor Entsetzen zusammen. Das Wesen quoll aus der Wand hinter Celia hervor, die mir einen letzten Blick zuwarf – einen Blick voller Trauer und Vorwürfe.
Nicht alles muss hier festgehalten werden. Es genügt wohl, wenn ich sage, dass sich dann ziemlich grässliche Dinge ereigneten.
49
Ein paar Tage später saß ich in der Nähe des Magierhorsts auf dem Dach von Kid Macs Puff und sah zu, wie ganz Rigus um Blaureiher trauerte. Sein sorgfältig balsamierter Leichnam war in ein prächtiges Gewand gehüllt, das ich ihn nie hatte tragen sehen, und lag auf einem goldenen Podest, das sich im Zentrum einer erhöhten Plattform befand. Auf dem Podium saß die Creme der städtischen Elite, Geschäftsleute und Aristokraten, Letztere alle ziemlich gleich aussehend. Die Bühne war von Sicherheitskräften umgeben – keine Stadtwächter, sondern mit Hellebarden bewaffnete Soldaten, die die Menge scharf im Auge behielten. Um dieses Zentrum herum hatte sich praktisch die ganze Unterstadt versammelt, um dem Meister die letzte Ehre zu erweisen.
Es war immer noch bitterkalt, hatte aber seit letzter Nacht nicht mehr geschneit. Die Schneedecke hatte sich in jene widerwärtige Mischung aus Harsch, Dreck und Scheiße verwandelt, wie sie bei Schneefall in einer Stadt unvermeidlich ist. Mac und ich teilten uns einen Joint und bliesen schiefergrauen Rauch zum bereits grauen Himmel empor. Die letzte Lieferung Traumranke war ausgesprochen minderwertig gewesen – wenn das nicht besser wurde, musste ich mich nach einem anderen Großhändler umsehen.
Unten auf der Plattform pries der Patriarch gerade die Tugenden des Verstorbenen – zumindest nahm ich das an. Mein Hörvermögen war immer noch nicht ganz wiederhergestellt, und das Gemurmel der Menge erschwerte es mir zusätzlich, die Rede zu verstehen. Mac schien nicht sehr beeindruckt zu sein. Vermutlich verpasste ich also nicht viel.
»Du kanntest ihn, oder?«, fragte Mac.
Hinter uns saßen ein paar seiner Huren auf dem Dach, rauchten Zigaretten und schluchzten leise vor sich hin. Es beglückte sie, dass sie Gelegenheit hatten, ihrem angeborenen Sinn fürs Melodramatische frönen zu können.
»Ja.«
»Wie war er?«
»Ziemlich groß«, erwiderte ich.
Yancey war irgendwo da unten, inmitten der verschwitzten Menge, die sich zu der Zeremonie eingefunden hatte. Als alles vorüber war, hatte ich ihn aus seinem Versteck geholt. Er sagte, wir seien fertig miteinander, aber das habe ich nicht so ganz ernst genommen. Ungeachtet dessen hatte er an jenem Tag auf dem Dach etwas sehr Zutreffendes gesagt – es würde lange dauern, bis Ma Dukes mich wieder zum Lunch einlud.
Rückblickend glaubte ich nicht, dass der Herzog so weit gegangen wäre, Yancey etwas anzutun. Ich hatte Beaconfield falsch eingeschätzt. Ich hatte eine Menge Leute falsch eingeschätzt. Der Alte brachte alles in Ordnung und vertuschte die ganze Geschichte. Und falls er wusste, dass ich den Falschen erwischt hatte, dann behielt er es für sich. Aber er würde es sich merken, um mich gegebenenfalls damit unter Druck zu setzen. Aus seiner Sicht hatte die Angelegenheit ein zufriedenstellendes Ende gefunden. Die Morde in der Unterstadt hörten auf, und ein bekanntes, aber unbedeutendes Mitglied des Hochadels war bei der Explosion eines Ofens umgekommen. Ein bedauerlicher Unfall. Lord Beaconfield war der Letzte seines
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