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Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Titel: Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Hitchens
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genug für uns beide. Denn der wahre Gläubige findet erst Ruhe, wenn die ganze Welt das Knie gebeugt hat. Ist es denn nicht jedem einsichtig, fragt er, dass die religiöse Autorität absoluten Vorrang hat und dass, wer sie nicht anerkennen will, das Recht auf Leben verwirkt hat?
    Zufällig sorgten ein paar Jahre später ausgerechnet die Mörder der Schiiten dafür, dass sich diese Erkenntnis in aller Welt durchsetzte. So grausam wütete das Taliban-Regime in Afghanistan, etwa mit dem Massaker an den Hasara, einem schiitischen Volksstamm, dass selbst der Iran 1999 einen Einmarsch erwog. So hemmungslos ergaben sich die Taliban der Gotteslästerung, dass sie eine der größten Kulturleistungen der Welt bombardierten und zerstörten: die beiden Buddhastatuen von Bamijan, ein Musterbeispiel für die Verschmelzung hellenischer und anderer afghanischer Stile. Obwohl die Statuen aus vorislamischer Zeit stammten, empfanden die Taliban und ihre Gäste der al Kaida sie als Beleidigung, und als die beiden Bamijan-Statuen in Grund und Boden gebombt wurden, deutete das voraus auf die Zerstörung jener anderen Zwillingsbauten im Zentrum von Manhattan, die im Jahr 2001 fast dreitausend Menschen das Leben kostete.
    Jeder kann seine eigene Geschichte vom 11. September erzählen. Ich will hier nur erwähnen, dass eine meiner Bekannten in die Mauer des Pentagon krachte, nachdem sie ihrem Ehemann telefonisch eine Beschreibung der Mörder und ihrer Taktik hatte geben können; von ihm erfuhr sie, dass es sich nicht um eine Entführung handelte und dass sie sterben würde. Vom Dach meines Wohnhauses in Washington sah ich auf der anderen Seite des Flusses Rauch aufsteigen, und jedes Mal, wenn ich am Kapitol oder am Weißen Haus vorbeikomme, muss ich seither daran denken, was hätte geschehen können, wenn die Passagiere des vierten Flugzeugs nicht so mutig gewesen wären, es nur zwanzig Minuten von ihrem Ziel entfernt über einem Feld in Pennsylvania zum Absturz zu bringen.
    Also, so konnte ich Dennis Prager des Weiteren schreiben, hier haben Sie Ihre Antwort. Die neunzehn Selbstmordattentäter von New York, Washington und Pennsylvania waren zweifellos die gläubigsten Menschen an Bord dieser Flugzeuge. Vielleicht wird jetzt nicht mehr ganz so lautstark behauptet, dass gläubige Menschen moralische Vorzüge besitzen, um die andere sie nur beneiden können? Und was können wir aus dem Jubel und der ekstatischen Propaganda lernen, mit der diese Großtat der Frömmigkeit in der islamischen Welt aufgenommen wurde? Die USA hatten damals einen Justizminister namens John Ashcroft, der behauptet hatte, Amerika habe »keinen König außer Jesus«, eine Behauptung, die genau zwei Wörter zu lang ist. Das Land hatte einen Präsidenten, der die Versorgung der Armen kirchlichen Institutionen überlassen wollte. Wäre damals nicht der richtige Moment gewesen, sich dem Licht der Vernunft zuzuwenden und für eine Gesellschaft einzutreten, die Kirche und Staat trennt, freie Meinungsäußerung und freie Forschung gewährleistet?
    Die Enttäuschung war – und ist in mir heute noch – groß. Schon wenige Stunden nach den Anschlägen verkündeten die Fernsehprediger Pat Robertson und Jerry Falwell, ihre Mitmenschen seien Opfer eines Gottesurteils gegen unsere säkulare Gesellschaft geworden, die Homosexualität und Abtreibung toleriere. Auf einem feierlichen Gedenkgottesdienst für die Opfer in der wunderschönen National Cathedral in Washington durfte der Baptistenprediger Billy Graham sprechen, der allein schon mit seinem Opportunismus und seinem Antisemitismus eine nationale Schande ist. In seiner absurden Predigt stellte er die Behauptung auf, alle Toten seien nun im Paradies und würden nicht einmal dann zu uns zurückkehren, wenn sie es könnten. Ich sage absurd, weil die al Kaida an jenem Tag selbst bei nachsichtigster Betrachtung mit Sicherheit auch sündige Bürger umgebracht hat. Und es besteht nicht der geringste Grund zu der Annahme, dass Billy Graham wusste, wo sich ihre Seelen befanden, geschweige denn, was sie sich posthum wünschten. Grahams Behauptung, das Paradies genau zu kennen, hatte überdies fatale Ähnlichkeit mit dem Anspruch, den bin Laden im Namen der Attentäter erhoben hatte.
    Zwischen der Entmachtung der Taliban und dem Sturz Saddam Husseins verschärfte sich die Situation zusehends. Ein führender Militär teilte mit, er habe während des katastrophalen Militäreinsatzes in Somalia eine Vision gehabt. Auf einer Luftaufnahme von

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