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Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Titel: Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Hitchens
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Mogadischu habe er das Gesicht des Satans höchstselbst gesehen, was den General in seiner Überzeugung bekräftigte, dass sein Gott stärker sei als die böse Gottheit des Gegners. In der US Air Force Academy in Colorado Springs, so wurde bekannt, wurden jüdische und agnostische Kadetten von »wiedergeborenen« Soldaten, die steif und fest behaupteten, nur wer Jesus als Erlöser akzeptiere, sei zum Dienst geeignet, ungestraft tyrannisiert. Der stellvertretende Kommandeur der Akademie verschickte missionarische E-Mails, in denen er zu einem nationalen Tag des (christlichen) Gebets aufrief. Die Kaplanin Melinda Morton, die sich über diese Hysterie und Einschüchterungsversuche beschwerte, wurde unverzüglich auf einen Stützpunkt im fernen Japan versetzt. Derweil trugen auch hohlköpfige multikulturelle Gruppen ihr Scherflein bei, indem sie unter anderem billige saudische Koranausgaben in amerikanischen Gefängnissen in Umlauf brachten. Diese wahhabitischen Texte gingen weit über das Original hinaus, riefen zum heiligen Krieg gegen alle Christen, Juden und Säkularisten auf. Wer diese Ereignisse beobachtete, wurde Zeuge einer Art kulturellen Selbstmords – einer »Beihilfe zum Selbstmord«, an der sich Gläubige wie Ungläubige bereitwillig beteiligten. [FUSSNOTE6]

    An dieser Stelle sei daraufhingewiesen, dass solche Vorgehensweisen nicht nur unmoralisch und unprofessionell waren, sondern auch verfassungswidrig und antiamerikanisch. James Madison, Autor des ersten Zusatzartikels zur amerikanischen Verfassung, in dem die gesetzliche Einrichtung einer Staatsreligion untersagt wird, formulierte auch Artikel sechs, der eindeutig klarstellt, dass beim Eid »niemals ein religiöser Bekenntnisakt zur Bedingung für den Antritt eines Amtes oder einer öffentlichen Vertrauensstellung im Dienst der Vereinigten Staaten gemacht werden« dürfe. In seinen später entstandenen Detached Memoranda sprach sich Madison auch klar gegen die Ernennung von Kaplanen durch die Regierung aus, sei es in den Streitkräften oder in den Eröffnungszeremonien des Kongresses. Letzterer Fall verstoße gegen die Gleichheit und die Verfassungsprinzipien. Zu Geistlichen in den Streitkräften schrieb Madison, ein Blick in die Armeen anderer Länder lege es nahe, dass die Einsetzung von Armeekaplanen nicht so sehr dem geistigen Wohlbefinden der Schafe, als vielmehr dem finanziellen Wohl der Hirten zugutekomme. Wer Madison heute zitiert, gilt rasch als subversiv oder verrückt, doch ohne ihn und Thomas Jefferson, die gemeinsam das Virginia Statute of Religious Freedom verfassten, hätten die USA damals einfach weitergemacht wie zuvor: In einigen Bundesstaaten hätten Juden kein öffentliches Amt übernehmen dürfen, in anderen Katholiken, in Maryland Protestanten – dort wurden »profane Worte über die Dreifaltigkeit« mit Folter, einem Brandmal und beim dritten Vergehen dem »Tod ohne Beistand eines Geistlichen« bestraft. Georgia hätte vielleicht weiter seinen offiziellen Staatsglauben als »Protestantismus« angegeben – wobei völlig unklar ist, als was sich dieser Glaube, einer von Luthers vielen Hybriden, wohl entpuppt hätte. [FUSSNOTE7]

    Als sich die Diskussion um eine Intervention im Irak zuspitzte, ergoss sich der Unsinn nur so von den Kanzeln. Die meisten Kirchen waren gegen den Versuch, Saddam Hussein zu stürzen, und der Papst blamierte sich, indem er den gesuchten Kriegsverbrecher Tarik Asis zu einer Audienz einlud, einen Mann, der für die staatlich angeordnete Ermordung von Kindern verantwortlich war. Als führendes katholisches Mitglied einer herrschenden faschistischen Partei wurde Asis im Vatikan willkommen geheißen (es war nicht das erste Mal, dass man dort so viel Nachsicht walten ließ) und dann nach Assisi gebracht, wo er am Schrein des heiligen Franziskus beten konnte, der so gern vor den Vögeln gepredigt hatte. Auf der anderen Seite der konfessionellen Achse begrüßten einige, wenn auch nicht alle, amerikanische Evangelikalen freudig und lautstark die Aussicht, die muslimische Welt für Jesus zu gewinnen. (»Einige, wenn auch nicht alle« deshalb, weil Anhänger einer fundamentalistischen Splittergruppe seither auf Beerdigungen von im Irak gefallenen US-Soldaten auftauchen und verkünden, ihr Tod sei Gottes Strafe für die Homosexualität in Amerika. Auf einem besonders taktvollen Schild, mit dem sie den Trauernden vor dem Gesicht herumfuchteln, heißt es: »Thank God for IEDs«, »Dankt Gott für die selbst

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