Der Herr von Moor House
fügte er sich in sein Schicksal. “Aber eines Tages wird es geschehen, meine Liebste, denn du hast mir bewiesen, dass ich dir nicht gleichgültig bin.”
Hatte er tatsächlich erwartet, sie würde früher oder später in seine Arme sinken? War das der Grund, warum er sie so bereitwillig beherbergte? Hatte er sie in all den Jahren als eine versäumte Gelegenheit betrachtet – eine Eroberung, die ihm damals entgangen war?
“Ja, das stimmt”, fauchte sie. “Du bist mir keineswegs gleichgültig. In meiner Dummheit hatte ich dir sogar mein Herz geschenkt. Du hast es mir gebrochen, und selbst nach all den Jahren kann ich den Schmerz immer noch fühlen. Also glaube nicht, dass ich so töricht bin, es dir noch einmal anzuvertrauen.”
Ehe Christian ihre bittere Anklage beantworten und sich verteidigen konnte, rannte sie aus der Bibliothek.
13. KAPITEL
Zum ersten Mal, seit Megan ihr Zimmer bewohnte, frühstückte sie im Bett. Doch sie hätte ihrer Zofe die Mühe ersparen können, denn sie brachte kaum einen Bissen hinunter, was Betsy natürlich sofort rügte.
“Tut mir leid, Betsy, ich bin nicht hungrig.”
Und ziemlich blass, ergänzte Betsy in Gedanken, während sie das fast unberührte Tablett auf den Toilettentisch stellte. “Haben Sie letzte Nacht schlecht geschlafen, Miss?”
“Ja”, gab Megan zu und wechselte abrupt das Thema. “Wie geht es James heute Morgen? Hoffentlich besser.”
“Ein bisschen. Er will nichts essen, und das kann man ja wohl auch verstehen. Aber der Doktor hat versichert, der Junge würde sich bald erholen.”
“Gott sei Dank …” Megan brachte ein schwaches Lächeln zustande, und ihre Zofe musterte sie besorgt.
“Stimmt etwas nicht, Miss? Normalerweise sind Sie am Morgen nicht so niedergeschlagen. Sie werden mir doch nicht krank?”
“Nein”, erwiderte Megan. Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: “Ich habe beschlossen abzureisen.” Mittlerweile war sie zu der Ansicht gelangt, dass ihr nichts anderes übrig blieb. “Kümmern Sie sich nicht ums Gepäck. Das erledige ich selber. Lassen Sie nur meine Truhen hierherbringen. Wahrscheinlich können wir heute noch nicht nach Hause fahren – aber morgen …”
Die Aussicht, nach Taunton zurückzukehren, gefiel Betsy ganz und gar nicht. Und sie hegte den Verdacht, dass die Entscheidung ihrer Herrin keineswegs von Heimweh beeinflusst worden war. Für ihr Leben gern hätte sie herausgefunden, was dahintersteckte. Leider stand es ihr nicht zu, Miss Megan mit Fragen zu bestürmen.
Sobald die Zofe den Raum verlassen hatte, um den Auftrag auszuführen, eilte Sophie in ihrem Reitkostüm herein. “Was, du bist noch nicht aus den Federn gekrochen?” Unaufgefordert sank sie auf den Bettrand. “Heute Morgen scheint dieses Haus von Langschläfern zu wimmeln. Mr Blackmore ist auch nicht zum Frühstück hinuntergegangen.”
“Sicher wird Giles mit dir ausreiten.”
“Begleitest du uns nicht, Tante Megan? Wir warten sehr gern auf dich.”
“Das ist nett von dir. Aber ich möchte meinen Ritt lieber um ein paar Stunden verschieben …” Nach kurzem Zögern erklärte Megan: “Hör zu, Liebling. Morgen werde ich nach Somerset zurückkehren. Und vorher will ich mich von den Fortescues verabschieden.” Natürlich hatte sie nicht angenommen, ihre Neuigkeit würde Begeisterung erregen. Doch auf die unverhohlene Verzweiflung ihrer Nichte war sie nicht gefasst gewesen. “Schau nicht so traurig drein!”, bat sie und ergriff Sophies Hand. “Du wusstest doch, dass ich nicht für immer hier bleiben würde.”
“Ja …”, bestätigte Sophie mit tränenerstickter Stimme. “Aber – ich dachte, du würdest mich erst in ein paar Monaten verlassen.”
“Jetzt sehe ich keinen Grund mehr, dir beizustehen”, entgegnete Megan betont munter, obwohl sie sich ganz anders fühlte. “Du hast neue Freunde gefunden, und du verstehst dich sehr gut mit deinem Vormund.”
Diese letzten Worte erregten Sophies Aufmerksamkeit. “Weiß Mr Blackmore schon von deinem Entschluss?”
“Nein … Mit ihm hat es nichts zu tun. Er ist nicht
mein
Vormund.” Obwohl sie merkte, wie provozierend und albern ihre Erklärung klang, fuhr sie fort: “Wenn ich abreisen will, muss ich ihn nicht um Erlaubnis bitten. Ich kann kommen und gehen, wie es mir beliebt.” Unbehaglich wich sie dem forschenden Blick der großen blauen Augen aus und schaute auf die Uhr. “Oh Gott! Ist es schon so spät? Geh jetzt, Liebes – ein Gentleman wird leicht ungeduldig, wenn
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