Der Herzausreißer
kommen können«, sagte sie. »Den Vernünftigsten nehme ich zuerst dran.«
Sie nahm Citroën von Jacquemorts Knien weg und setzte sich im zweiten Lehnsessel zurecht. Jacquemort wandte sich diskret ab; er genierte sich, beim Stillen zuzusehen, wegen der bläulichen Venen, die auf der sehr weißen Haut ein richtiges Netz bildeten. Außerdem schien ihm, dass das Stillen den Busen seinem wahren Zweck entfremde.
»Sie wissen, dass er schon gehen kann ...«, fuhr der Psychiater fort.
Sie fuhr hoch und zog mit dieser Bewegung die Brustwarze dem Säugling aus dem Mund ... Schweigend wartete das Kind.
»Er kann gehen?«
Sie setzte ihn auf den Boden.
»Geh! ...«
Citroën klammerte sich an der Hose fest und richtete sich auf. Sie nahm ihn leicht aus der Fassung geraten wieder hoch.
Joël und Noël näherten sich, noch immer heulend, auf allen Vieren.
»Und die da?«, fragte sie.
»Die nicht«, sagte der Psychiater.
»Gut«, befand sie.
»Es sieht fast so aus, als ginge es Ihnen auf die Nerven, dass er gehen kann?«, mutmaßte Jacquemort.
»Ach!«, murmelte Clémentine, »weit werden sie ja noch nicht kommen, die armen kleinen Würstchen.«
Citroën war fertig. Sie erwischte Joël und Noël an ihren Jäckchen und zog sie heran.
Jacquemort stand auf.
»Also, wie steht’s«, fragte er, »mögen Sie sie immer noch?«
»Die sehen ja wirklich brav aus«, antwortete Clémentine. »Und dann brauchen sie mich ja auch. Gehen Sie aus?«
»Ich brauche etwas Entspannung«, bemerkte Jacquemort.
»Sie kommen doch sicher beim Hufschmied vorbei«, sagte Clémentine. »Es ist wegen Citroën.«
»Warum ist Ihnen so sehr daran gelegen, dass sie so erzogen werden wie die Bauernkinder?«
»Warum nicht?«, sagte Clémentine trocken. »Stört es Sie?«
»Es stört mich«, antwortete Jacquemort.
»Snob!«, sagte Clémentine. »Meine Kinder werden einfach erzogen werden.«
Er verließ den Raum. Citroën sah ihm nach, und sein Gesicht war mürrisch wie das einer steinernen Heiligenstatue nach einem Bombenangriff.
3
Das Dienstmädchen erschien.
»Sie haben nach mir verlangt?«, sagte sie.
»Nimm diese drei, leg sie trocken und bring sie zu Bett«, sagte Clémentine.
Sie sah die andere aufmerksam an und bemerkte:
»Du schaust aber mitgenommen drein!«
»So ...«, sagte die andere, »finden Sie, Madame?«
»Schläfst du immer noch mit Jacquemort?«, fragte Clémentine.
»Ja«, sagte das Dienstmädchen.
»Was treibt er denn so mit dir?«
»Och«, sagte das Dienstmädchen, »er besteigt mich.«
»Und fragt er dich aus?«
»Ich komme kaum dazu, was zu spüren«, sagte das Mädchen, »da ist er schon wieder mit Fragen bei der Hand.«
»Gib ihm nie eine Antwort«, sagte Clémentine, »und schlaf nicht mehr mit ihm.«
»Das wird mir schwerfallen«, sagte das Dienstmädchen.
»Du widerst mich an. Wenn er dir ein Kind macht, stehst du schön da.«
»Noch ist es nicht passiert.«
»Das kommt noch«, murmelte Clémentine schaudernd. »Kurz und gut, du würdest besser daran tun, nicht mehr mit ihm zu schlafen. Außerdem ist das sowieso alles ekelhaft.«
»Nun, ich sehe«, sprach das Mädchen, »dabei nichts dergleichen.«
»Ach scher dich zum Teufel«, sagte Clémentine.
Culblanc nahm die drei Kinder und ging hinaus.
Clémentine zog sich in ihr Zimmer zurück. Sie kleidete sich aus, rieb sich mit Eau de Cologne ab, reinigte sich die Quetschung im Gesicht und streckte sich rücklings auf dem Boden aus, um ihre Gymnastik zu machen.
Sie turnte und verfügte sich direkt vom Boden ins Bett. Diesmal würde sie pünktlich zum Stillen da sein. Es ist nicht gut für Babys, wenn sie so lang warten müssen. Babys haben ihre Nahrung zu kriegen, wann immer es sein mag, alles andere ist Nebensache.
Angel, mit allen Anzeichen vollkommenster Trostlosigkeit auf seinem Lager hingestreckt, hob den Blick, als er es dreimal an der Türe klopfen hörte.
»Ja!?«, sagte er.
Jacquemort trat ein und ließ die Bemerkung fallen:
»Natürlich, untätig wie immer ...«
»Wie immer«, antwortete Angel.
»Geht’s einigermaßen?«, fragte der Psychiater.
»Es geht«, sagte Angel, »ich habe Fieber.«
»Mal sehen.«
Er ging zu ihm und fühlte seinen Puls.
»Tatsächlich«, stimmte er bei.
Er setzte sich aufs Bett.
»Rücken Sie mit Ihren Füßen etwas hinüber.«
Angel rückte auf die andere Seite; Jacquemort setzte sich und begann seinen Bart zu kraulen.
»Was haben Sie denn so gemacht die ganze Zeit?«, fragte er.
»Das wissen Sie
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