Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herzausreißer

Der Herzausreißer

Titel: Der Herzausreißer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Vian
Vom Netzwerk:
dem Abgrund zu leicht überhängend. Ein spitz zusammenlaufender Winkel, in den es vorzudringen galt.
    Clémentine warf ihren Kopf zurück, sah in den Winkel und schnurrte leise vor Lust. Sie war ganz feucht zwischen den Beinen.

2
    Die drei kleinen Racker galoppierten auf allen Vieren in dem Zimmer umher, in das man sie vor ihrer Drei-Uhr-Stillung eingeschlossen hatte. Langsam verloren sie schon die Gewohnheit, von vierundzwanzig Stunden vierundzwanzig zu schlafen und fanden Vergnügen daran, ihre Hinterglieder etwas zu schonen. Noël und Joël quietschten. Der würdevollere Citroën drehte langsam seine Runden um ein niedriges Tischchen herum.
    Jacquemort sah ihnen zu. Er gesellte sich jetzt, da sie lebenden Wesen ähnlicher sahen als Larven, des Öfteren zu ihnen. Dank Klima und Pflege waren sie erstaunlich fortgeschritten für ihr Alter. Die beiden ersten hatten glattes, fahlblondes Haar. Der dritte, braunhaarig und gekräuselt wie am Tag seiner Geburt, schien ein Jahr älter als seine beiden Brüder.
    Sie sabberten natürlich. Wo sie innehielten, bildete sich auf dem Teppich ein kleiner nasser Fleck, der einen Augenblick lang mit dem Mund seines Urhebers durch einen langen, kurzlebigen, dünnen, elastischen, zerreißbaren, kristallinen Faden verbunden blieb.
    Jacquemort überwachte Citroën. Der kroch jetzt, die Nase am Boden, mit letzter Kraft herum. Dann verlangsamten sich seine Bewegungen und er setzte sich auf. Er richtete den Blick zum Tischchen hinauf.
    »Was denkst du gerade?«, fragte Jacquemort.
    »Bäöh! ...«, sagte Citroën.
    Er streckte seine Hand nach dem Gegenstand aus. Zu weit weg. Er rutschte näher, ohne seine einmal eingenommene Körperhaltung aufzugeben, und zog sich, indem er entschlossen den Tischrand zwischen die Finger nahm, in den Stand.
    »Gewonnen«, sagte Jacquemort. »Genauso wird’s gemacht.«
    »Oh! bäöh!« antwortete Citroën, der losließ, mit einem Schlag wieder auf den Hintern fiel und sehr erstaunt dreinschaute.
    »Siehst du«, sagte Jacquemort, »du hättest nicht loslassen dürfen. Es ist ganz einfach. In sieben Jahren wirst du die erste Heilige Kommunion erhalten, in zwanzig Jahren wirst du mit deinem Studium fertig sein und fünf Jahre später wirst du heiraten.«
    Citroën hob mit wenig überzeugter Miene den Kopf und richtete sich in Sekundenschnelle wieder auf.
    »Gut«, schloss Jacquemort. »Ja, da wird man wohl dem Schuster oder dem Hufschmied Bescheid sagen müssen. Hierorts werden die Kinder sehr hart erzogen, weißt du. Nun ja, die Pferde werden schließlich auch beschlagen und es geht ihnen deshalb nicht schlechter. Es wird so sein, wie deine Mutter es will.«
    Er streckte sich. Was für ein Leben. Und kein Mensch da zum Psychoanalysieren. Das Dienstmädchen zeigte sich nach wie vor unzugänglich. Nicht der geringste Fortschritt.
    »Diesmal werde ich euch mitnehmen, meine Süßen«, sagte er. »Es ist ja schon Wochen her, dass ich keinen Fuß mehr ins Dorf gesetzt habe.«
    Citroën ging nun schon rund um das Tischchen, aber im aufrechten Gang.
    »Sag mal«, bemerkte Jacquemort, »du lernst aber schnell. Möglicherweise bist du meinem Programm schon voraus. Auch gut, dann hab ich bald jemand, mit dem ich spazieren gehen kann.«
    Joël und Noël zeigten Anzeichen von Unruhe, und Jacquemort sah auf die Uhr.
    »Ja, ja, es ist Zeit. Sogar schon etwas drüber. Aber was willst du, eine Verspätung, das passiert schließlich jedem einmal.«
    Joël fing zu weinen an. Noël gab das Echo dazu ab. Ihr Bruder betrachtete sie unbewegt aus kalten Augen.
    Es war fast halb vier, als Clémentine schließlich kam. Sie fand Jacquemort auf derselben Stelle sitzend vor. Er war völlig gelassen und schien die Gebrüllsalven, welche die Zwillinge von sich gaben, nicht zu hören. Citroën auf seinen Knien war nicht minder gelassen und zog im Spiel an Jacquemorts Bart.
    »Endlich!«, sagte Jacquemort.
    Clémentines linkes Hosenbein war völlig zerrissen. Auf dem Backenknochen hatte sie einen großen blutunterlaufenen Fleck.
    »Sie haben’s ja ganz lustig gehabt, wie ich sehe«, sagte er.
    »Es geht«, antwortete sie kühl. »Und Sie?«
    Ihr gefasster Ton stand in krassem Gegensatz zur körperlichen Erregtheit, die ihr noch sichtlich in den Gliedern stak.
    »Was für ein Krach!«, stellte sie objektiv eine Minute später fest.
    »Nun ja«, sagte Jacquemort, »sie haben eben Durst. Sie brauchen Sie, verstehen Sie, genauso wie Sie Ihre Felsen brauchen.«
    »Ich habe nicht schneller

Weitere Kostenlose Bücher