Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herzausreißer

Der Herzausreißer

Titel: Der Herzausreißer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Vian
Vom Netzwerk:
Balkens fiel mit einem dumpfen Aufschlag zu Boden. Schon wuchs ein Haufen des gelben, ganz frischen und harzigen Sägemehls unter den Böcken in die Höhe.
    Angel richtete sich auf und legte die Säge beiseite. Er streckte dem Psychiater die Hand hin.
    »Wie Sie sehen«, sagte er, »befolge ich Ihre Ratschläge.«
    »Ein Boot?«, fragte Jacquemort.
    »Ein Boot.«
    »Können Sie ein Boot bauen?«
    »Ich werde ihm keine Höchstleistungen abverlangen«, sagte Angel. »Nur schwimmen muß es können.«
    »Dann bauen Sie doch lieber ein Floß«, sagte Jacquemort. »Das ist viereckig und viel leichter zu bauen.«
    »Das schon«, sagte Angel, »aber es ist nicht so schön.«
    »Wie die Aquarellmalerei«, sagte Jacquemort.
    »Wie die Aquarellmalerei.«
    Angel legte die Säge weg und hob den Balken auf, den er gerade abgesägt hatte.
    »Als was wird der Verwendung finden?«, fragte Jacquemort.
    »Ich weiß nicht«, sagte Angel. »Vorerst schneide ich die schlechten Teile weg. Ich möchte nur gutes Holz verarbeiten.«
    »Sie machen sich doppelte Arbeit ...«
    »Das macht gar nichts. Ich habe sowieso nichts anderes zu tun.«
    »Das ist eigenartig«, murmelte der Psychiater. »Sie könnten also gar nicht arbeiten, wenn Sie nicht damit beginnen würden, Ihr Material erst einmal gleichmäßig zuzuschneiden?«
    »Ich könnte, aber ich möchte nicht.«
    »Und ist das schon lange so mit Ihnen?«
    Angel schaute ihn an, einen Schimmer von Bosheit im Blick.
    »Sagen Sie mal, soll das vielleicht ein regelrechtes Verhör sein?«
    »Bewahre! ...« protestierte Jacquemort und fuhr mit seinen Fingern unter die Nase, unter dem Vorwand, ein Nasenloch durchzublasen, um es von Verstopfung zu befreien.
    »Hat Sie der Berufseifer wieder gepackt?«
    »Nein«, sagte Jacquemort. »Aber wenn ich mich nicht für andere interessiere, für wen soll ich mich dann überhaupt interessieren?«
    »Doch für Sie selber«, sagte Angel.
    »Sie wissen doch ganz genau, dass ich leer bin.«
    »Und wenn Sie sich einmal fragten, warum? Das würde schon ausreichen, Sie ein bisschen zu füllen.«
    »Blödsinn«, sagte Jacquemort.
    »Immer noch niemand zum Psychoanalysieren gefunden?«
    »Niemand ...«
    »Versuchen Sie es doch einmal mit Tieren. Sowas wird heutzutage gemacht.«
    »Woher wissen Sie das?«, fragte Jacquemort.
    »Ich habe es gelesen.«
    »Man darf nicht alles glauben, was man liest«, erwiderte der Psychiater gespreizt und neunmalklug.
    Die Innenseite seines rechten Daumens hatte fürwahr ein charakteristisches Parfüm behalten.
    »Versuchen Sie es trotzdem«, sagte Angel.
    »Ich werde Ihnen mal was sagen ...«, begann der Psychiater, und hielt plötzlich inne.
    »Was wollten Sie mir sagen?«
    »Nein«, schloss Jacquemort, »ich werde es Ihnen nicht sagen. Ich werde schon selber draufkommen, ob es stimmt.«
    »War es eine Annahme?«
    »Eine Hypothese.«
    »Nun gut«, sagte Angel. »Das geht wirklich nur Sie etwas an.«
    Er ging wieder zur Garage zurück. Durch das offene Tor konnte man das Heck des Wagens sehen, und rechts davon, gegen die Wand gelehnt, ganze Stapel von zusammengebundenen Brettern, die sich elastisch durchbogen.
    »An Holz werden Sie wahrlich keinen Mangel haben«, sagte Jacquemort anerkennend.
    »Es wird immerhin ein großes Boot werden«, sagte Angel.
    Er ging hinein und wählte ein Brett aus. Jacquemort sah zum Himmel. Nicht eine einzige Wolke.
    »Ich lass Sie jetzt allein«, sagte er. »Ich geh ins Dorf.«
    »Viel Glück!«
    Der Sägelärm setzte wenig später wieder ein und wurde leiser, je weiter sich Jacquemort von der Garage entfernte. Beim Gartengitter angekommen, hörte er ihn nicht mehr. Er schlug den staubigen Weg ein. Als er dort hinten mit Angel sprach, war ihm plötzlich die große schwarze Katze wieder eingefallen, die am Dorfausgang auf einer Mauer saß. Eine der wenigen Personen, die ihm Wertschätzung entgegenbrachten.
    Diese Mauer war zweifellos der Lieblingsaufenthaltsort der Katze. Er beschleunigte seinen Schritt, um sich davon zu überzeugen. Gleichzeitig führte er seinen Daumen unter die Nase und atmete tief ein. Der Geruch ließ vage Formen Gestalt werden, den breiten Rücken des Dienstmädchens, und ihn selbst, klebend an ihrem rundlichen Hinterleib, der sich unter seinen kraftvoll-zügigen Stößen aufbäumte; das waren Formen, die einen schon zum Gehen anregen konnten.

7
    24. März
    Der Wind trieb Stroh über den Weg, durch schmale Scheunentorritzen aus der Streu gezupfte Strohhalme, auf Tennenböden

Weitere Kostenlose Bücher