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Der Herzausreißer

Der Herzausreißer

Titel: Der Herzausreißer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Vian
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tiefen Wasserlachen durchsetzt. Jacquemort ging eiligen Schritts auf eine zu. Er näherte sich dem Rand, suchte sich ein bequemes Plätzchen und kauerte sich zusammen; den Ärmel hatte er hochgekrempelt. Seine gespannten Finger streiften den Wasserspiegel.
    Etwa zehn Sekunden verstrichen. Da streckte ein kleiner gelber Fisch sein Köpfchen hinter einer grünen Wasserpflanze hervor. Auf dem bewachsenen Grund der Lache war er kaum zu unterscheiden, doch Jacquemort sah seine zarten Kiemen pulsen, und dabei schlug ihm das Herz höher.
    Plötzlich schnellte sein Arm vor, er fasste das Tierchen und führte es an seine Nase. Es roch wirklich gut.
    Er leckte sich die Lippen, öffnete den Mund und verschlang mit einem Biss den Kopf des zappelnden Fischs.
    Es schmeckte vorzüglich. Und die Lache war voll davon.

9
    16. April
    Angel legte Niethammer und Handamboss auf die Werkbank und wischte sich die Stirn am Ärmelaufschlag ab. Er war gerade mit der Beplankung der Steuerbordseite zu Ende gekommen. Die roten Köpfe der Kupfernägel bildeten eine schöngepunktete Linie auf dem hellen geschwungenen Holz. Das Boot nahm Form an. Es ruhte auf einem zum Meer hin ausgerichteten Bock aus Eichenholz, von wo auch zwei eichene Führungsschienen ausgingen, die später den Steilhang hinunterführen sollten.
    Die drei Kinder spielten dort in der Nähe mit dem Haufen Sägemehl und Spänen, der eine Ecke der Werkstatt ausfüllte. Ihre Entwicklung war merkwürdig sprunghaft vonstattengegangen; mittlerweile hatten alle drei, die kleinen Hufeisen an den Füßen, das Gehen erlernt; nur Citroëns Füße bluteten abends noch ein bisschen, Noël und Joël aber, viel gröber und widerstandsfähiger, hielten das aus, und ihre Haut verhornte bereits.
    Angel wunderte sich; es war schon Zeit, und das Dienstmädchen kam nicht. Die Kinder mussten doch unbedingt ihr Vesperbrot kriegen. Da fiel ihm plötzlich ein, dass das Dienstmädchen Ausgang hatte. Mit einem Seufzer sah er auf seine Armbanduhr. Wirklich, Clémentine vergaß immer häufiger, ihnen zu essen zu geben, und wenn er ihr den geringsten Vorwurf machte, antwortete sie frech und mit einer Art hassenswerter und beinahe gerechtfertigter Sicherheit. Angel war unangenehm berührt, wenn er sehen musste, dass ihn die Kinder dann immer fast ironisch ansahen und sich auf die Seite ihrer Mutter stellten.
    Er beobachtete sie und begegnete dem finsteren Blick von Citroën, der ihn verwirrte. Mit etwas Wut im Bauch sagte er sich, dass sie das gekriegt hätten, was sie verdienten. Er selbst verlangte nicht mehr, als sie zu hätscheln und abzuküssen, sah sich aber nie dazu ermuntert.
    »Sie mögen es wohl, wenn man sie an der Nase herumführt«, dachte er grollend.
    Nichtsdestoweniger ging er auf sie zu.
    »Kommt zum Vespern, meine Süßen«, sagte er.
    Joël und Noël hoben ihre Nasen und brabbelten leise vor sich hin.
    »Mag Antine«, sagte Joël.
    »Antine«, wiederholte Noël.
    »Clémentine ist nicht da«, sagte Angel. »Kommt mit, wir gehen sie suchen.«
    Citroën ging ihm mit würdigen Schritten voraus. Angel streckte den Zwillingen die Hände hin. Ohne sie jedoch zu nehmen, rappelten sie sich in einer Wolke von Sägemehl und -spänen auf und liefen ihrem Bruder unbeholfen hinterdrein. Angel fühlte sich beklommen und nervös. Er folgte ihnen aber trotzdem von weitem, denn der abschüssige Garten stellte eine mögliche Gefahr dar, und trotz seiner Verstimmung wäre ihm die Vorstellung, es könnte ihnen etwas zustoßen, grauenhaft gewesen.
    Er erreichte die Haustür eine Sekunde nach ihnen und erwischte sie drinnen noch. Noël rief mit spitzer, gellender Stimme nach seiner Mutter, und Joël machte es ihm wie ein Echo nach.
    »Genug jetzt«, sagte Angel, einigermaßen energisch.
    Sie blieben verwundert stehen.
    »Kommt in die Küche«, fuhr Angel fort.
    Er war ein wenig erstaunt, als er nichts angerichtet vorfand. Dieses Vesperbrot hätte sie nun wirklich herrichten können. Er setzte die Kleinen ungeschickt vor ihre Milchschalen und Schnittchen, und während sie sich lautstark vollschlabberten, ging er zur Tür hinüber. Dort wäre er um ein Haar mit Jacquemort zusammengestoßen.
    »Sie haben nicht zufällig Clémentine gesehen?«, fragte er.
    Der Psychiater strich sich katzenhaft mit der Hand übers Ohr.
    »Ah ... was meinten Sie?«, antwortete er, ohne sich zu kompromittieren.
    »Lassen Sie dieses kätzische Getue«, sagte Angel. »Ihnen ist nicht mehr danach zumute als mir. Und sagen Sie schon, wo

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