Der Herzausreißer
Jacquemort«, erklärte dieser, »ich kam zufällig auf dem Weg vorbei, und da hörte ich die Schreie.«
»Das war Clémentine«, sagte Angel. »Ist alles gut abgegangen? Ist es vorbei? Sagen Sie!«
»Sie sind dreifacher Vater«, sagte Jacquemort.
Angel war verblüfft:
»Drillinge?«
»Zwillinge und ein Eigenständiger«, präzisierte Jacquemort. »Er ist gleich danach gekommen. Das ist ein Zeichen für eine starke Persönlichkeit.«
»Wie geht es ihr?«, fragte Angel.
»Sie ist wohlauf«, sagte Jacquemort, »etwas später werden Sie sie sehen.«
»Sie ist sehr wütend auf mich«, sagte Angel. »Sie hat mich eingesperrt.«
Von den konventionellen Anstandsregeln gegängelt, fügte er hinzu:
»Darf ich Ihnen irgendwas anbieten?«
Er erhob sich umständlich.
»Vielen Dank«, sagte Jacquemort, »im Moment nicht.«
»Was machen Sie hier?«, fragte Angel. »Wollen Sie hier Ihre Ferien verbringen?«
»Ja«, sagte Jacquemort. »Ich glaube, ich wäre hier ganz gut bei Ihnen aufgehoben, da Sie mir das ja schon vorschlagen.«
»Ein Glücksfall, dass Sie gerade zugegen waren«, sagte Angel.
»Gibt es hier denn keinen Arzt?«, fragte Jacquemort.
»Ich war ja eingesperrt«, sagte Angel. »Ich konnte mich nicht darum kümmern. Das Mädchen vom Bauernhof hat alles machen müssen. Sie ist uns sehr ergeben.«
»Ach so ...!« sagte Jacquemort.
Beide schwiegen. Jacquemort strählte sich den feuerroten Bart mit seinen fünf gespreizten Fingern. Seine blauen Augen funkelten im Sonnenlicht des Zimmers. Angel sah ihn aufmerksam an. Der Psychiater trug einen sehr leichten Anzug aus schwarzem Tuch, enganliegende Hosen mit Steg und einen langen hochgeschlossenen Leibrock, der ihn schmaler erscheinen ließ. An den Füßen hatte er ausgeschnittene Sandalen aus schwarzlackiertem Leder, und ein fliederfarbenes Satinhemd wallte aus seinem Kragenausschnitt. Es war närrisch einfach.
»Ich bin sehr froh, dass Sie dableiben«, sagte Angel.
»Kommen Sie jetzt doch mit hinüber zu Ihrer Frau«, schlug der andere vor.
6
Clémentine rührte sich nicht. Sie lag ganz flach da, den Blick zur Decke gerichtet. Zwei der Bälger lagen zu ihrer Rechten, das dritte zur Linken. Das Kindermädchen hatte das Zimmer aufgeräumt. Sonnenlicht rann lautlos über den Rand des offenen Fensters.
»Ab morgen wird man sie entwöhnen müssen«, sagte Jacquemort. »Erstens kann sie nicht zwei und ein weiteres stillen, zweitens geht’s dann viel schneller, und drittens wird sie einen schönen Busen behalten.«
Clémentine wurde unruhig, drehte den Kopf zu ihnen hin. Sie öffnete ein hart dreinblickendes Augenpaar und sprach:
»Ich werde sie selbst stillen«, sagte sie. »Alle drei. Das wird mir keineswegs den Busen verunstalten. Und wenn schon, umso besser. Ich habe ja sowieso nicht mehr den Wunsch, irgendjemandem zu gefallen.«
Angel näherte sich ihr und wollte ihr die Hand streicheln. Sie riss sie zurück.
»Genug jetzt«, sagte sie. »Ich habe keine Lust, jetzt wieder von vom anzufangen.«
»Hör zu ...«, murmelte Angel.
»Hau ab«, sagte sie mit müder Stimme, »ich will dich jetzt nicht sehen. Das hat mir alles zu sehr weh getan.«
»Fühlst du dich denn nicht besser?«, fragte Angel. »Schau mal ... dein Bauch, der dich so gestört hat ... der ist doch jetzt weg.«
»Und durch das Leintuch, das Sie da umgebunden tragen«, warf Jacquemort ein, »bleibt Ihnen, wenn Sie später aufstehen, keinerlei Spur zurück.«
Clémentine nahm alle ihre Kraft zusammen und richtete sich halb auf. Sie sprach mit leiser, zischender Stimme:
»Ich sollte mich besser fühlen, nicht wahr? ... so wie ich hier bin... gleich danach... mit meinem zerrissenen Bauch... und meinem Rücken, der mir weh tut... und meinen verdrehten und schmerzenden Beckenknochen, und meinen Augen voll geplatzter roter Äderchen ..., ich sollte mich brav erholen, schön vernünftig sein, wieder zu einer schönen Silhouette abschwellen, wieder feste dralle Brüste kriegen ..., nur damit du oder ein anderer kommen können, mich flachzuquetschen und mir euren Rotz einzuspritzen, damit das alles wieder von vom anfängt, damit ich wieder Schmerzen habe, schwer und unbeholfen werde, blute wie ein Schwein ...«
Mit einer gewaltsamen Bewegung fuhr sie mit dem Arm unter die Bettdecke und riss sich das Leintuch, das ihren Leib bandagierte, herunter. Angel machte die Andeutung einer Bewegung.
»Komm mir nicht zu nahe!«, sagte sie mit soviel Hass in der Stimme, dass ihr Mann stumm erstarrte.
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