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Der Herzausreißer

Der Herzausreißer

Titel: Der Herzausreißer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Vian
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säubern, ja, das wär’s.
    Oft hatte sie sich schon gesagt, wie außerordentlich gefährlich es wäre, wenn sie sie baden ließe. Nur einen Augenblick der Unachtsamkeit. Man schaut weg, oder man bückt sich zum Beispiel nach der Seife, die weggeflutscht ist, die sich außer Reichweite hinter den Fuß des Waschbeckens verkrümelt hat. In diesem Augenblick entsteht ein ungeheurer Überdruck in der Wasserleitung, weil wie aus heiterem Himmel ein glühender Meteorit mitten ins Reservoir gefallen ist und sich, ohne zu explodieren, bis in die Hauptleitung hat vorarbeiten können, wahrscheinlich durch seine rasende Geschwindigkeit; da er nun aber festgeklemmt ist, fängt er an, das Wasser in den Röhren zu verdampfen, und eine Schockwelle (schönes Wort übrigens, Schockwelle) pflanzt sich mit großer Geschwindigkeit fort, dadurch fließt natürlich ungleich mehr Wasser als zuvor, so dass, während man sich nach der Seife bückt — außerdem ist es ja ein Verbrechen, Seifen in dieser Form zu verkaufen; eiförmig und rutschig, dass sie einem mir nichts dir nichts aus der Hand glitschen und weiß Gott wo landen, vielleicht sogar ins Wasser plumpsen und dabei einem Kind eine Mikrobe ins Nasenloch spritzen; — aber da kommen auch schon die Wassermassen daher, der Wasserspiegel steigt, das Kind erschrickt zu Tode, schluckt Wasser, kriegt keine Luft mehr — davon kann man bekanntlich sterben — sein armes Gesicht ganz violett — erstickt ...
    Sie wischte sich die feuchte Stirn ab und schloss den Kleiderschrank, ohne sich etwas daraus zu nehmen. Ihr Bett. Das brauchte sie jetzt sofort, ihr Bett.

15
    Etwas verärgert kehrte Joël zu seinen Brüdern zurück. Diese hatten den Spaten wieder zur Hand genommen und gruben, ohne irgendeine Bemerkung von sich zu geben.
    »Glaubst du, dass wir auch noch eine Blaue finden?«, fragte Noël Citroën.
    Joël blickte interessiert auf.
    »Nein«, sagte Citroën, »ich habe dir ja schon gesagt, dass sie sehr selten sind. Auf fünfhundert Millionen kommt jeweils nur eine Blaue.«
    »Das ist doch blanker Unsinn«, entschied Joël, der sich wütend wieder an die Arbeit machte.
    »Schade, dass er sie gegessen hat«, sagte Citroën. »Sonst würden wir vielleicht auch schon fliegen.«
    »Gottseidank ist es seiner«, sagte Noël. »Mir würde es sehr auf die Nerven gehen, wenn meiner weg wäre.«
    Ostentativ drückte er seinen Plüschteddy an sich.
    »Mein Dumuzo!«, sagte er zärtlich.
    Joël, den Blick hartnäckig zu Boden gerichtet, arbeitete sich gerade verbissen durch eine kleine Kiesader.
    Die Anspielung auf den Bären gab ihm einen Stich ins Herz. Wo war seiner? Er wollte den Kopf nicht heben, obwohl er ein leicht prickelndes Gefühl in den Augen verspürte.
    »Sehr zufrieden sieht er nicht gerade aus«, stichelte Noël.
    »Waren wohl nicht gut, die Lixiere?«, fragte Citroën ironisch.
    Joël gab keine Antwort.
    »Er stinkt immer noch«, sagte Noël. »Kein Wunder, dass Poirogale abgehauen ist.«
    Joël wusste, dass seine Stimme zittern würde, wenn er antwortete; und gerade das wollte er nicht. Er konnte kaum noch sehen, was er tat, sein Blick verschleierte sich immer mehr, aber er konzentrierte sich auf seine Kieselsteine. Und urplötzlich vergaß er den Bären, seine Brüder und alles um sich herum.
    Eine hinreißende Schnecke von allerreinstem Kobaltblau kroch langsam über einen der Kiesel, die den Boden seiner Grabungsstelle bedeckten. Mit verhaltenem Atem betrachtete er sie. Mit zitternden Fingern hob er sie behutsam auf und führte sie verstohlen zum Mund. Die Spötteleien seiner Brüder drangen nur mehr durch einen dichten Freudennebel zu ihm.
    Er schluckte die blaue Schnecke hinunter und erhob sich.
    »Ich weiß ganz genau, dass ihr ihn versteckt habt«, sagte er mit Gewissheit in der Stimme.
    »Nie im Leben«, sagte Citroën. »Der ist ganz allein dort hinaufgeklettert, weil er nicht bei einem Papi bleiben wollte, der so übel riecht.«
    »Das ist mir gleich«, sagte Joël, »ich geh ihn jetzt holen.«
    Alsogleich hatte auch er den Schemel wenige Meter vom Baum entfernt entdeckt, und sodann den Baum selbst, auf dem Poirogale bequem zwischen zwei Ästen sitzend in gemütlichem Plausch mit einem Grünspecht begriffen war.
    Jetzt galt es zu fliegen. Er breitete entschlossen die Arme aus und bewegte die Hände auf und ab. Citroën hatte es gesagt.
    Als seine Fersen in Noëls Nasenhöhe waren, packte dieser Citroën beim Arm.
    »Er hat eine gefunden ...«, murmelte er.
    »Auch

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