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Der Herzausreißer

Der Herzausreißer

Titel: Der Herzausreißer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Vian
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Ununterbrochen. Es kann ihnen alles Mögliche zustoßen. Und das stelle ich mir vor. Oh! Die einfachsten Dinge; wegen irgendwelcher Unmöglichkeiten und Hirngespinste zerbreche ich mir nicht den Kopf; nein, die bloße Aufzählung dessen, was passieren könnte, macht mich schon wahnsinnig. Und ich kann gar nicht umhin, daran zu denken. Und dabei beziehe ich noch nicht einmal all die Gefahren ein, die ihnen außerhalb des Gartens drohen; glücklicherweise sind sie, bis jetzt wenigstens, noch nicht auf den Gedanken gekommen, hinauszugehen. Aber im Moment mochte ich mir das gar nicht vorstellen, sonst wird mir jetzt schon ganz schwindelig.«
    »Aber denen passiert schon nichts«, sagte Jacquemort. »Kinder wissen mehr oder weniger unbewusst, was gut für sie ist, und bringen sich kaum je in eine missliche Lage.«
    »Glauben Sie?«
    »Ich bin ganz sicher«, sagte Jacquemort. »Sonst wären wir beide wohl kaum da, weder Sie noch ich.«
    »Da haben Sie nicht ganz unrecht«, sagte Clémentine. »Aber diese Kinder sind so verschieden von allen anderen.«
    »Ja, ja«, sagte Jacquemort.
    »Und ich liebe sie so sehr. Ich glaube, ich liebe sie so sehr, dass ich an alles gedacht habe, was ihnen in diesem Haus und in diesem Garten zustoßen könnte, und darüber mache ich kein Auge mehr zu. Sie können sich gar nicht vorstellen, was für eine Menge an Unfallmöglichkeiten da zusammenkommt. Begreifen Sie, welche Prüfung es für eine Mutter bedeutet, die ihre Kinder so liebt, wie ich sie liebe? Aber in einem Haus gibt es dermaßen viel zu tun, dass ich nicht jeden Augenblick hinter ihnen stehen und auf sie aufpassen kann.«
    »Und das Dienstmädchen?«
    »Die ist dumm«, sagte Clémentine. »Mit ihr leben sie noch gefährlicher als ganz allein. Sie hat überhaupt kein Feingefühl, und ich würde die Kinder am liebsten so schnell wie möglich ihrem Einfluß entziehen. Sie hat nicht die mindeste Eigeninitiative. Nehmen wir nur an, die Kinder graben im Garten mit ihren Spaten etwas tiefer, stoßen auf eine Ölquelle, das Öl spritzt hoch und ertränkt sie alle, da wüsste sie nicht was tun. Die Ängste, die ich ausstehe! Ach! Und alles nur, weil ich sie liebe.«
    »In der Tat«, sagte Jacquemort. »Ich stelle fest, dass Sie in Ihren Vorsichtsmaßnahmen nichts außer Acht lassen.«
    »Aber da sind auch noch andere Dinge, die mich quälen«, sagte Clémentine. »Ihre Erziehung. Ich zittere bei dem Gedanken, sie in die Dorfschule zu schicken. Selbstverständlich kommt es gar nicht in Frage, dass sie da allein hingehen. Aber ich kann sie doch nicht von diesem Mädchen hinbringen lassen. Da passiert ihnen bestimmt ein Unglück. Ich werde selbst gehen; Sie werden mich von Zeit zu Zeit vertreten, wenn Sie mir versprechen, ganz vorsichtig zu sein. Doch nein, ich glaube wirklich, dass ich da selber hingehen muß. Übrigens braucht man sich im Augenblick gar nicht so sehr den Kopf über ihren Unterricht zu zerbrechen, noch sind sie ja sehr jung; der Gedanke, sie könnten sich aus dem Garten entfernen, bringt mich derart durcheinander, dass mir noch gar nicht zu Bewusstsein gekommen ist, was das alles an Risiken mit sich bringt.«
    »Lassen Sie doch einen Hauslehrer kommen«, sagte Jacquemort.
    »Daran habe ich natürlich auch gedacht«, antwortete Clémentine, »aber ich muß Ihnen gestehen, dass ich eifersüchtig bin. Es ist ganz blöd, aber doch ganz verständlich; ich könnte es nie ertragen, wenn sie sich an jemand anderen binden würden als an mich. Nun, wenn es ein guter Hauslehrer ist, werden sie zwangsweise eine sehr starke Bindung zu ihm eingehen; wenn es ein schlechter ist, lege ich keinen Wert darauf, dass sie ihm in die Hände fallen. Wie auch immer, großes Vertrauen in die Schule habe ich seit jeher nicht gehabt, aber immerhin gibt es dort einen wirklichen Lehrer; wohingegen das Problem mit dem Hauslehrer praktisch unlösbar erscheint.«
    »Der Pfarrer würde wohl einen sehr traditionellen Hauslehrer abgeben ...«, sagte Jacquemort.
    »Ich bin nicht sehr religiös, und ich sehe keinen Grund, weshalb meine Kinder es werden sollten.«
    »Ich glaube nicht, dass sie bei diesem Pfarrer große Gefahr laufen«, sagte Jacquemort. »Er hat eine ziemlich gesunde Auffassung von der Religion und dürfte wohl in den seltensten Fällen eine Bekehrung bewirkt haben.«
    »Der Pfarrer würde sich niemals dazu bereit erklären«, fiel ihm Clémentine ins Wort, »und das Problem bleibt bestehen. Sie werden eben ins Dorf gehen müssen.«
    »Nun ja«,

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