Der Herzberuehrer
L'amo tags zuvor geschlossen gewesen war.
Der Geruch von abgestandenem Bier und Zigaretten war dem von scharfen Putzmitteln gewichen.
Im Hintergrund lief Klaviermusik, die den Raum in weiche Klänge tauchte. Auch das Licht schien gedämpfter als zuletzt.
Nichtsdestotrotz: Ein Nachtclub bei Tage hatte immer etwas verlassenes, trostloses, so wie auch dieser in jenem Moment.
Daniele stand wie ein Déjà-vu hinter der Theke und hantierte wie gehabt an der Espressomaschine, gleiche Haltung, identische Geräuschkulisse.
Wieder dieses eigentümliche Lächeln, als er sich zu mir drehte und unaufgefordert einen Cappuccino vor mich hin stellte.
Ich setzte mich auf einen der Barhocker, lächelte freundlich zurück, riss zwei Zuckertütchen auf und ließ deren Inhalt auf die vollendete Milchschaumhaube rieseln.
»Eine wunderbare Form der Zerstörung, nicht wahr?«, kommentierte er mein Tun, während wir beobachteten, wie sich der kleine Zuckerberg langsam durch den Schaum drückte, bis er dann mit einem Rutsch im cremigen Braun des Caffès verschwand.
Das Rühren meines Löffels setzte der Betrachtung ein Ende.
»Cappuccino mit Zucker halt...«, konterte ich einfallslos sein bedeutungsschweres Gefasel und trank einen Schluck. Der Caffè war wirklich gut.
»Weißt du eigentlich, Luca, wo ich dich das erste Mal gesehen habe?«
»Das hatten wir bereits ...«, erwiderte ich tonlos. »...Hier im L'amo! Darüber haben wir letztes Mal schon gesprochen.«
»Nein, nein... Hier sind wir uns das erste Mal begegnet . Gesehen habe ich dich das erste Mal im Fernsehen. In der Nähe von Orvieto war ich da.«
»Ah...«
»Ja. Du hast irgendwas mit Rind zubereitet. Sah sehr gut aus...«
Es wurde wieder speziell. Was sollte das jetzt?
»Es war sicher auch ganz fein...«, versuchte ich mich halbherzig auf seine Ebene einzulassen.
»Wie war das damals? So beim Film? Hast du es genossen? Den Ruhm? Das Ganze...?« Seine Augen suchten das meine. Sein plötzliches Interesse an meiner Person irritierte mich.
»Fernsehen, nicht Film...«, korrigierte ich ihn. »Und - ja! Am Anfang war das schon gut. Es nutzt sich aber ziemlich schnell ab...«
»So wie Freundschaften, Beziehungen...«
»Können wir das lassen, ja?«
»Verärgere ich dich?«
»Ich möchte einfach, dass wir zur Sache kommen...«
Er lächelte freundlich, nickte mir zu, kam um den Tresen und setze sich neben mich. Dann zog er mit geübter Geste zwei Zigaretten aus einer Schachtel und reichte mir eine davon. «Gut...«, sagte er leise, während er mir Feuer gab, »Kommen wir also zur Sache. Und...?«
»Ich möchte dir ein Angebot machen...«
Seine rechte Augenbraue wanderte skeptisch in die Höhe, als ich das sagte.
»Ein... Angebot...?«
»Ja!«
»Dann... dann mal los, Luca...«
»Ich werde dir die Vollmachten fürs L'amo nicht geben, Daniele. Das muss dir doch klar sein. Ich sehe ja auch, dass du in jedem Fall so was wie... ja... eine Entschädigung... für was auch immer...«. Ich wusste nicht mehr weiter. Und wieder überraschte mich sein Verhalten, denn statt wütend auf meinen Rückzieher zu reagieren, so wie ich es eigentlich erwartet hatte, schien er zunächst einfach nur erschrocken. Seine großen Augen blickten ratlos bis besorgt. Doch dann begann er zu lachen. Nicht laut, eher erleichtert, was mich wiederum irritierte.
»Du hast natürlich völlig Recht...«, sagte er freundlich, fast schon lieblich, »Und weißt du was...?«
Ich schüttelte verwirrt mit dem Kopf.
»...Ich habe nie damit gerechnet, dass du dich darauf einlassen wirst. Nicht einen Moment.«
»Ja, aber...«
»Was das Ganze soll, fragst du dich?«
Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.
»Das weiß ich selbst noch nicht so genau." Etwas entrückt trank er einen Schluck seines Caffés. »Aber zurück zu deinem Angebot. Wie sieht das denn aus?«
»Nun, ich wäre bereit, dir eine gewisse Summe, sagen wir...«
»Nein! Nein, nein. Halt! Stopp! So nicht...«. Er schüttelte energisch den Kopf, zutiefst enttäuscht, wie es schien »Das macht doch keinen Spaß... viel zu einfallslos...«
»Dann sag mir, was du willst...«
Er zog noch einmal kräftig an seiner Zigarette, drückte sie dann aus und tippte mir mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand auf die Brust.
»Ich hatte alles...«, holte er leise, fast schon flüsternd aus und sah sich dabei scheinbar ziellos im Raum um. »Ich hatte Ihn. Verstehst du? Ihn! Ich hatte seine Freunde, sein Zuhause, sein Bett. Ich hatte seine Musik, seine
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