Der Herzensbrecher
vorzubereiten. Dann ging sie nach oben in ihr Schlafzimmer, um den Hut abzunehmen und ärgerte sich über ihre feige Verzögerungstaktik. Sie fürchtete das Gespräch.
Nachdem sie Evans Anträge mehrmals abgelehnt hatte, würde sie einen anderen heiraten. Und er war es nicht gewöhnt, seine Pläne durchkreuzt zu sehen. Der britische Kapitalist hatte ein Vermögen im Eisenbahn- und Minengeschäft gemacht und seine Ziele stets erreicht. Auch diesmal zweifelte er nicht an seinem Erfolg und glaubte, er würde Heather bald als seine Braut heimführen.
Selbstverständlich konnte er seine derzeitige Geliebte, eine Bühnenschauspielerin, nicht heiraten. Aber Heather, die einer vornehmen Familie entstammte, wäre eine passende Zierde für sein Imperium. Er hatte den Zeitungsverlag ihres Vaters und die Schule gekauft, in der irrigen Überzeugung, Heather würde dankbar in seine Arme sinken. Außerdem erklärte er sich bereit, ihre restlichen Schulden zu übernehmen, sie vor alle in weiteren Unheil zu schützen und ihr ein Luxusleben zu bieten. In diesen schwierigen sechs Monaten war sie manchmal versucht gewesen, auf seinen Vorschlag einzugehen.
Da er sie so entschlossen umworben hatte, war das Interesse einiger Klatschbasen erwacht. Natürlich hatte sich Heather keinen Skandal leisten können, solange sie bestrebt gewesen war, die Schule und deren guten Ruf zu erhalten. Eine hochnäsige Dame schickte ihre Tochter sogar in eine andere Schule, bevor Evan seine ehrbaren Absichten verlauten ließ. Danach hatte keine der anderen Mütter gewagt, die künftige Mrs. Randolf zu beleidigen.
Sie verstand nicht, warum sie ihn so faszinierte. Obwohl die Familie ihrer Mutter reich gewesen war, hatte sie sich in seinen Gesellschaftskreisen niemals wohl gefühlt, und sein aufwendiger, ausschweifender Lebensstil missfiel ihr. Vielleicht lag ihre Anziehungskraft in ihrem Widerstand. Eine Beute, die schwer zu erringen war, musste ihm umso begehrenswerter erscheinen. Seit Monaten bewegte sie sich auf einem schmalen Grat und wehrte seine Annäherungsversuche ab, ohne seinen gefährlichen Zorn zu erregen.
Selbst wenn sie seine Exzesse tolerieren könnte, wollte sie nicht die Rolle Mrs. Evan Randolfs spielen, die nichts anderes zu tun hatte, als verschwenderische Dinnerparties zu geben und mit selbstgefälligen Damen irgendwelche Wohltätigkeitsveranstaltungen zubesuchen . Statt dessen würde sie eine sinnvolle Aufgabe erfüllen.
Sie holte tief Atem, nahm Sloan McCords Brief aus einem Schubfach ihres Schreibtisches und betrachtete die kühne, schwungvolle Handschrift. Als Ehefrau eines Ranchers konnte sie sich wenigstens nützlich machen.
Notgedrungen kehrte sie in den Salon zurück, trat vor den Kamin und hoffte, die Wärme des Feuers würde sie ermutigen. Evan saß immer noch auf dem Sofa, die Beine lässig übereinandergeschlagen.
»Evan«, begann sie zögernd, »ich weiß nicht, wie ich's dir sagen soll ...«
»Dann will ich dir helfen«, unterbrach er sie und lächelte gönnerhaft. »Du hast dich anders besonnen ein Vorrecht aller schöner Frauen. Und ich bin sehr glücklich darüber.«
»Nein, du täuscht dich. Vielleicht solltest du das lesen.« Sicher war es feige, Sloans Heiratsantrag für sich sprechen zu lassen. Aber ihr selbst fehlten die Worte. Sie gab Evan den Brief. Angstvoll beobachtete sie, wie sein Mienenspiel von Neugier und Verblüffung und schließlich in unverhohlene Wut überging. »Ich habe Mr. McCords Antrag angenommen«, fügte sie leise hinzu und wünschte, sie wäre woanders.
»Damit willst du mich offensichtlich erpressen. Dieser Antrag ist nur ein Druckmittel, das mich veranlassen soll, dir bei unserer Hochzeit eine beträchtliche Summe zu überschreiben.« Ehe sie erschrocken protestieren konnte, fuhr er gnadenlos fort: »Wie bitter du mich enttäuschst! Niemals hätte ich von dir eine so tückische Strategie erwartet. Aber ... Also gut. Würde dir eine halbe Million genügen?«
Verzweifelt schüttelte sie den Kopf. »Nein, du missverstehst mich, Evan - das ist kein Trick. Ich habe deine Anträge stets abgelehnt, weil wir nicht zueinander passen ...«
»Soll ich tatsächlich glauben, du - eine völlig mittellose Frau - würdest eine so hohe Summe ablehnen?«
Wie sollte sie ihm begreiflich machen, dass sie es ernst meinte? Nervös schlang sie die Finger ineinander. »Ich hoffe, du wirst mir glauben, weil ich die Wahrheit sage. Natürlich schmeichelt mir dein
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