Der Herzog und seine geliebte Feindin
einmal in Ihrem Besitz waren.“
Er nahm die Tasche von der Ablage und sah sie an. „Sie überraschen mich unablässig. Ich muss mich ständig daran erinnern, dass was auch immer Sie planen, gründlicher durchdacht sein muss als alles, was ich je in Erwägung ziehen würde.“ Er öffnete den Verschluss und griff hinein, holte paar Papiere heraus. „Hier“, sagte er. „Wenn Sie meine Tasche durchsucht hätten, hätten Sie das hier gefunden. Ich habe es ohnehin für Sie geschrieben.“
Er hielt ihr einen Umschlag hin.
Minnie nahm ihn nicht entgegen.
„Als wir uns letzte Mal unterhalten haben, haben Sie gesagt, Sie fürchteten die Zukunft. Ich möchte einen Waffenstillstand. Das hier ist mein bestes Angebot.“ Er lächelte sie an. Himmel, wie heftig sie das spürte, sie spürte sein Lächeln bis in die Zehenspitzen.
Sie streckte eine Hand aus und zog ihn vorsichtig aus seinen Fingern. Er hatte recht. Auf dem Brief stand vorne darauf ihr Name.
„Friede für die Dauer der Reise?“
„Ich … ich weiß nicht.“
„Ein paar Stunden, Miss Pursling. Das ist alles, worum ich bitte.“ Sein Lächeln verrutschte. „Und übrigens, wegen der beiden anderen Passagiere …“
Die Tür ging auf, und er schnitt eine Grimasse, verschränkte die Arme vor der Brust. Die beiden Leute, die vorhin ins Abteil gekommen waren, standen in der Türöffnung.
Die Augen der Frau ruhten auf Minnie … und sie kniff sie dabei leicht zusammen, gerade lange genug, um Minnie zu verraten, dass diese ruhige beeindruckende Frau vermutlich vorher schon von dem Herzog etwas über sie gehört hatte. Und zwar genug, dass sie, als sie Minnies einfaches Kleid und die Narbe auf der Wange wahrnahm, den Kopf schief hielt. Hinter ihr stand der Gentleman, der ihr vorhin zugezwinkert hatte, dunkles Haar, rote Weste, schneeweißes Halstuch.
Der Duke of Clermont lächelte reuig. „He“, sagte er. „Was das angeht.“ Er biss sich auf die Lippen. „Ja. Violet, Sebastian, darf ich euch mit Miss Pursling bekannt machen? Miss Pursling, dies ist Violet Waterfield, Countess of Cambury.“
„Entzückt“, bemerkte die Countess, aber ihr Ton verriet, dass sie alles andere als das war.
„Und hinter ihr steht Mr. Sebastian Malheur.“
Minnie vergaß, stumm zu bleiben. Sie schaute ihn mit offenem Mund an. „ Der Sebastian Malheur?“, rief sie, ehe sie es verhindern konnte. „Der, der diese leidenschaftliche Verteidigungsrede für Mr. Darwin geschrieben hat?“
Himmel. Wenn die Geschichten über ihn auch nur halbwegs stimmten, war er restlos vom rechten Weg abgekommen. Wilde Gerüchte machten über ihn die Runde, dass er nicht nur andersgläubig sei und in seinen Ansichten von denen der Amtskirche abwich, sondern sogar Atheist. Ein Frauenheld. Ein Wüstling. Aber Mr. Malheur zuckte nur die Achseln und hielt sich in einer übertriebenen Geste mit zwei Fingern den Mund zu.
„Ja“, sagte der Herzog nach einer gespannten kleinen Pause. „Ebender. Alle Gerüchte, die Sie über ihn gehört haben, entsprechen der Wahrheit. Und außerdem ist er mein Cousin.“ Er seufzte. „Na gut, kommt rein und setzt euch“, erklärte er schließlich. „Es ist schließlich nicht so, als könntet ihr irgendwas noch schlimmer machen.“
Sie hatte keine Ahnung, was er damit meinte, ob er zu ihnen sprach oder zu ihr. Aber beide kamen ins Abteil. Ohne ein Wort zu sagen oder Minnie anzusehen, nahmen sie Platz.
Kapitel Neun
D RAUßEN ERTÖNTE EIN SCHRILLER P FIFF.
Der Zug ruckelte, als in allen Wagen die Türen geschlossen wurden. Und Robert wartete in Elend auf das, was, wie er genau wusste, jetzt folgen würde.
Einen Moment schien alles in Ordnung zu sein. Violet griff in ihre Tasche und holte Wolle und Stricknadeln heraus. Sebastian saß da, schaute stur geradeaus und schwieg.
Miss Pursling hielt ihren Blick auf die Holzbretter gerichtet, aus denen der Boden des Wagons bestand. Sie hatte seinen Brief in ihre Tasche gesteckt, berührte aber noch nicht einmal den Stoff darüber. Der Zug setzte sich in Bewegung, schwankte von der einen zur anderen Seite, aber sie sagte noch immer nichts.
Es hätte Robert nicht überraschen dürfen – schließlich tat sie das jedes Mal, wenn er sie sah – aber Violet blickte auf und zu ihm, dann zu Miss Pursling. Ihre Brauen zogen sich verwirrt zusammen. Sie wechselte einen besorgten Blick mit Sebastian.
„So“, sagte Robert. „Miss Pursling, kommen Sie aus London?“
Miss Pursling richtete ihre Augen auf ihn, schaute dann
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